Experten sprechen von einem Meilenstein und einer eindeutigen Botschaft: Ein einflussreicher Islamgelehrter hat die radikale Deutung des Islam durch Terrorgruppen theologisch entkräftet. Tahir al-Kadri bezeichnet muslimische Selbstmord-Attentäter als Ungläubige.
Tagesspiegel, 2.3.2010
London – Muslimische Selbstmord-Attentäter seien „für die Hölle bestimmt“, sagte Tahir al-Kadri, Anführer einer weltweiten Muslim-Bewegung am Dienstag in London. Seine „Fatwa“ (islamisches Rechtsgutachten) gegen den Terror entkräfte die radikale Deutung des Islam durch Terrorgruppen wie Al Qaida. Islamische Terrorgruppen seien ein „altes Übel mit einem neuen Namen“. Ihre Ansichten über den Märtyrertod hätten Muslime bislang nicht ausreichend angezweifelt.
Der Islam verbiete Selbstmordanschläge und ein Massaker mit unschuldigen Bürgern, heißt es in Kadris „Fatwa“. „Die Täter erweisen sich als völlig unfolgsam gegenüber dem Islam, mit anderen Worten: Sie sind Ungläubige.“ In der 600-seitigen „Fatwa“ wolle der Islamgelehrte theologische Argumente für junge Islamisten liefern, die der Rhetorik von Al Qaida verfallen. Solche Rechtsgutachten klären ein Problem innerhalb der islamischen Religion allgemeingültig und sind eine Anleitung für die Interpretation des Islam.
Experten bezeichneten Kadris Gutachten als Meilenstein. Es sei die bisher umfassendste theologische Widerlegung des radikalen Islam. Der britische Staatsminister für Kommunales – selbst Muslim – bezeichnete die „Fatwa“ mit Blick auf die Anschläge muslimischer Selbstmordattentäter vom 7. Juli 2005 in London als „eindeutige und unmissverständliche Botschaft“. Die vier Attentäter „sind keine Märtyrer auf dem Weg zum Himmel, sondern Sünder“, sagte Shahid Malik. Die vier jungen Männer seien „einer verzerrten und irregeführten Interpretation des Islam“ gefolgt. (dpa)