Am 7. 11. 2010 begeisterten zehn junge Musiker der israelischen Verteidigungsstreitkräfte im gut gefüllten Großen Sendesaal des RBB das Publikum. Shir Zehavi, Sängerin und Flötistin des Orchesters, die zwischendurch auch moderierte, gelang es mit viel Charme und musikalischem Können, nicht nur auf der Bühne, sondern später auch im Saal richtig Stimmung zu machen. Der Auftritt des Tzahal-Orchesters demonstrierte die Lebensfreude und den Überlebenswillen des jüdischen Volkes, dessen Existenzrecht als staatliche Einheit trotz religiös-historischer Wurzeln in der Region und UN-Beschluss vom 29. November 1947 bis heute in Frage gestellt wird.
Wie gewohnt, konnte der DIG-Vorsitzende Jochen Feilcke auch in diesem Jahr wieder zahlreiche Ehrengäste begrüßen, darunter den jüngst gewählten neuen DIG-Präsidenten Reinhold Robbe, ehemaliger Wehrbeauftragter des Deutschen Bundestages, die Polizeivizepräsidentin von Berlin, Margarete Koppers, die Jüdische Vorsitzende der GCJZ, Jael Botsch-Fitterling, mit ihrem Mann Dieter, Filmproduzent Atze Brauner und seine Frau Maria, die Schauspielerin Barbara Schöne sowie den Leiter des Jüdischen Theaters BIMAH, Dan Lahav, nebst Gattin. Der Gesandte der israelischen Botschaft Emmanuel Nahshon gehörte ebenso zu den Gästen wie Kulturattachée Dvora Ben-David.
Der Keren Hayesod (Vereinigte Israel-Aktion), Ideengeber für die diesjährige Auswahl der Künstler, war u.a. vertreten durch den Vorsitzenden des KH Deutschland, Nathan Gelbart, den Delegierten des KH Frankfurt, Ilan Rothem, den Europadirektor des KH, Jacov Snir, den Vorsitzenden des KH Berlin, Ilan Brandstetter, den Repräsentanten des Berliner Büros, Udi Lehavi, sowie Reuven Rozen, Direktor der Friends of Israel weltweit. Letzterer überbrachte Jochen Feilcke den Dank des Weltvorsitzenden des Keren Hayesod aus Jerusalem, Minister a.D. Eliezer Sandberg. Grußworte sprachen auch Emmanuel Nahshon in Vertretung des israelischen Botschafters, der terminlich verhindert war, und Nathan Gelbart.
[nggallery id=31]
Die Musiker – Shir Zehavi, Dana Miller, Shahar Elmaliach, Daniel Cerniwoski, Yigal Cohen, Lotan Bar Hama, Tzachi Karmona, Guy Abraham, Daniel Markowitz und Ohad Shivak -, deren Familien aus den verschiedensten Teilen der Welt nach Israel eingewandert waren, widmeten das Lied „Erev Chag“ ihrem Kameraden Gilad Shalit, der seit mehr als 4 Jahren von der terroristischen Hamas im Gaza-Streifen festgehalten wird. Daneben waren israelische Klassiker wie der frühere Grand Prix-Sieger „Haleluya“ oder „Yerushalayim shel Sahav“ – die „heimliche Nationalhymne Israels“ – oder das jemenitische Lied „Shecharcoret“ von Ofra Haza Teil des mitreißenden Programms. Auch Beispiele des ostjüdischen kulturellen Erbes wie das „Fiddler on the roof“ aus Anatevka, die „Jiddische Mame“ oder „Freilechs“ bereicherten das vielfältige Repertoire des Tzahal-Orchesters.
Eine besondere Geste an das Publikum war der Song „Satellite„, mit dem Lena im Juni 2010 den Grand-Prix-Sieg für Deutschland geholt hatte. Zum Unmut der jungen Musiker hatte der deutsche Beitrag diesmal keine Stimme aus Israel erhalten. Der temperamentvolle Auftritt im Großen Sendesaal des RBB offenbarte, wie sehr sie sich selbst für Lena begeistern konnten.
Dem besonderen Gedenken an Yitzhak Rabin war das „Shir la Shalom“ (Friedenslied) gewidmet, das Rabin bei der großen Friedenskundgebung in Tel Aviv am 4. November 1995 mit Miri Aloni gesungen hatte und das zur Hymne der israelischen Friedensbewegung wurde. Der blutgetränkte Text fand sich später in der Jackentasche des ermordeten Ministerpräsidenten. Shir gab dabei ihrer Hoffnung und Gewißheit Ausdruck, dass es eines Tages Frieden in der Welt geben werde – eine tiefe Sehnsucht, die schon die Anti-Vietnam-Bewegung in den 70ern bei dem Lied „We shall overcome“ erfüllt hatte. Einen Moment lang kam mir der Gedanke, das kleine Häufchen Demonstranten vor der Tür zu uns hereinzuholen und zum Mitsingen auf die Bühne zu bringen. Für sie hatte heute die „Besatzungsmacht“ Israel ein Forum erhalten – Grund genug dagegen zu protestieren. Die Frage, ob Israel ohne seine Armee überhaupt noch existieren würde, bleibt ungestellt. Auch Rabin hatte sich am Ende seines Lebens nicht von den israelischen Streitkräften distanziert, wußte er doch besser als jeder andere, wie notwendig es ist, sich in der Region verteidigen zu können.
Dennoch – ich bin sicher, das Publikum wünschte sich an diesem Abend nichts mehr, als dass diese begnadeten jungen Leute nicht mehr zur Armee und ihre Eltern nicht weiter um sie bangen müßten. „Wenn die Feinde Israels ihre Waffen niederlegen, kann es Frieden in der Region geben, wenn Israel die Waffen niederlegt, wird es kein Israel mehr geben„, so eine oft zitierte und unwiderlegte These. Oder wie sagte einst Golda Meir? „Frieden wird es (erst) geben, wenn die Araber ihre Kinder mehr lieben als sie uns hassen“. Setzen wir uns gemeinsam dafür ein, dass auf beiden Seiten keine jungen Menschen mehr sterben müssen. Das war es, was sich Rabin am Ende seines Lebens so sehr gewünscht hatte – „genug des Blutes und der Tränen“.
Für Deutsche und Israelis gleichermaßen bewegend waren die beiden Nationalhymnen am Ende des Konzerts. Wer hätte sich angesichts der Shoah noch vor wenigen Jahren vorstellen können, dass israelische Soldaten vor einem deutschen Publikum die deutsche Hymne spielen und dabei stramm stehen würden? Bei der anschließenden Hatikva meinte ich denn auch bei Shir Zehavi eine Träne zu erkennen, die sie schnell beiseite wischte.
Das 14. Rabin-Gedenkkonzert und 34. Benefizkonzert – diesmal unter der Schirmherrschaft des Bundesverteidigungsministers Dr. Karl-Theodor zu Guttenberg, und des israelischen Botschafters, S.E. Yoram Ben Zeev – kommt dem Projekt “Zukunft der Jugend in Ma’alot” des Keren Hayesod zugute. Ziel dabei ist es, gefährdete Kinder und Jugendliche im Norden Israels zu qualifizieren. Das Israelische Zentralamt für Statistik hatte erst vor kurzem bekannt gemacht, dass 804.000 Kinder in Israel unterhalb der Armutsgrenze leben, d.h. jedes dritte Kind. Das ist ein alarmierender Anstieg um 50 Prozent seit 2003. Unter ihnen sind laut Sozialministerium 418.527, die als gefährdet eingestuft werden können. Sie leiden unter einem geringen Selbstwertgefühl und gehen oft früh von der Schule ab, es kommt zu Drogen- und Alkoholmissbrauch, Kriminalität und Vandalismus. Auch Straßenkinder sind darunter. Besonders gefährdet sind Kinder und Jugendliche, die in Israels benachteiligten Gemeinden und in geografischen Randzonen leben. Oft haben sie gutes Potenzial, aber mit Wissenslücken und Bildungsrückständen zu kämpfen, die spätestens im Oberschulalter zum Tragen kommen. Ihr negatives Selbstbild verstärkt sich, ihre schulischen Leistungen werden noch schlechter. So fallen sie später bei Aufnahmeprüfungen durch, die Zugang zu einer besseren Zukunft bedeuten, wie der Dienst in der Armee oder eine Hochschulbildung. Hoffen wir, dass der Überschuss des Abends dazu beitragen kann, das segensreiche Projekt des Keren Hayesod zu unterstützen.
Ja, viele Deutsche tun sich nach wie vor schwer mit Uniformen – auch ich kann mich davon nicht frei machen – doch es hat sich gezeigt: das Tzahal-Orchester war eine hervorragende Besetzung für unser diesjähriges Rabin-Gedenkkonzert und größtes kulturelles Event. Keiner der Anwesenden dürfte bereut haben dabei gewesen zu sein. Ich bin sicher, der Abend bleibt unvergesslich!
[nggallery id=32]
Bericht und ein Großteil der Fotos von Meggie Jahn, einige von Margrit Schmidt.
Im Folgenden finden Sie eine Fotogalerie von Margrit Schmidt, aus der Sie Ihre Lieblingsbilder auswählen und unter der Adresse margrit-schmidt1@gmx.de direkt bestellen können. Wir danken Fritz Zimmermann fürs Zusammenstellen der Bilder.