Obama zu Israel und den Palästinensern

US-Präsident Barack Obama hat in seiner Nahostrede in Washington am Donnerstag ein ganzes Drittel dem israelisch-palästinensischen Konflikt gewidmet. Angesichts der gewaltigen Umwälzungen in der riesigen arabischen-islamischen Welt von Tunis über Libyen, Ägypten, Jemen, Syrien, Irak, Iran, Pakistan und Afghanistan sowie Bahrein wirkt das etwas überproportional. Aber immerhin hat er fatale Fehler seiner ersten großen Nahostrede in Kairo vor zwei Jahren nicht wiederholt…

Damals hatte er die israelischen Siedlungen für „illegal“ erklärt, anstatt sie als „Hindernis für den Frieden“ zu bezeichnen. Obama hatte so eine verhandelbare politische Frage in ein rechtliches Problem verwandelt. Nabil Schaath, Chefverhandler der Palästinenser, hatte die Weigerung der Palästinenser, mit Ministerpräsident Benjamin Netanjahu trotz eines zehnmonatigen Baustopps in den Siedlungen die Friedensverhandlungen zu erneuern damit begründet, dass über „Illegales“ nicht verhandelt werden könne.

Äquidistant geißelte Obama palästinensischen Terror, Hetze und dass „Kinder in der Region gelehrt werden, sie (die Israelis) zu hassen“, dem er die „Erniedrigung“ der Palästinenser gegenüber stellte, noch nie in einer eigenen Nation gelebt zu haben und durch die Besatzung zu leiden.

Weil sich die arabischen Staaten zur Zeit „von den Lasten der Vergangenheit“ befreien, sei es umso dringlicher, gerade jetzt den Stillstand im Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern zu überwinden. Da die Umwälzungen in den arabischen Staaten jedoch noch längst nicht abgeschlossen sind, in Ägypten die gleichen Militärs das Land kontrollieren wie zuvor unter Hosni Mubarak, das Morden in Libyen, Syrien und Jemen weitergeht und nirgendwo Obamas Vision von Demokratie und Freiheit umgesetzt worden ist, klingt „Befreiung von den Lasten der Vergangenheit“ eher wie ein frommer Wunschtraum.
Obama kritisiert die derzeitige Politik der Palästinenser. Versuche, Israel zu delegitimieren würden scheitern und „symbolische Schritte, Israel in der UNO im September zu isolieren, können keinen unabhängigen Staat schaffen“. Gemeint ist das Bemühen von Präsident Mahmoud Abbas, in der Generalversammlung der UNO im September die Anerkennung eines „Palästinensischen Staates in den Grenzen von 1967“ zu erhalten. Obama deutet an, dass die Hamas aus amerikanischer Sicht eine Terrororganisation sei: Frieden ist undenkbar, solange die Hamas aus „Terror und Ablehnung“ besteht. Obama äußert erhebliche Bedenken wegen der „Versöhnung“ der Hamas-Organisation mit der Fatah-Partei. Voller Verständnis für Israels Position fragt Obama, wie man denn mit jemandem verhandeln könne, der nicht einmal das Existenzrecht des anderen anerkennt. Obama verlangt dazu von den Palästinensern „glaubwürdige Antworten“.

Fast wörtlich zitiert Obama eine neue Forderung Netanjahus, wonach die Palästinenser „niemals“ ihre Unabhängigkeit verwirklichen könnten, solange sie „Israels Existenzrecht leugnen“.

An Israel gerichtet, hebt Obama an mit einer „tief verwurzelten Freundschaft“, „gemeinsamer Geschichte“ und „gemeinschaftlichen Werten“, sowie einer „unerschütterlichen Verpflichtung zu Israels Sicherheit“. Das sind klassische amerikanische Floskeln. Neu ist Obamas Absicht, überzogene Kritik an Israel in internationalen Foren unterbinden zu wollen.

Trotz der Freundschaft sei jedoch der status quo unhaltbar. Israel müsse „mutig“ handeln, um einen dauerhaften Frieden zu fördern. „Friede der Mutigen“ war übrigens eine von Jassir Arafat 1988 erfundene Formel, um Israel Konzessionen abzuringen. „Der Traum eines jüdischen und (zugleich) demokratischen Staates kann nicht durch eine permanente Besatzung erfüllt werden“, sagt Obama und zitiert so alle israelischen Ministerpräsidenten von Jitzhak Rabin über Ehud Barak und Ariel Scharon bis hin zu Netanjahu. Die Schaffung einer Autonomie, einer palästinensischen Selbstverwaltung mit eigenem Parlament, von Rabin initiiert, von Netanjahu akzeptiert und von Scharon durch den Rückzug aus Gaza erweitert, war ein erster Schritt, die Besatzung zu beenden.

Obama fährt fort mit einer von Netanjahu ständig wiederholten Vision, die von Palästinensern wie von den arabischen Staaten empört zurückgewiesen worden ist: Es müsse neben dem palästinensischen Staat ein „Israel als jüdischer Staat und Heimatland für das jüdische Volk geben“. Für die Palästinenser bedeutet das eine endgültige Absage an das „Rückkehrrecht für die palästinensischen Flüchtlinge“.

Indirekt lehnt Obama eine jüngst von betonte Forderung Netanjahus ab, wonach die Jordansenke künftig bei Israel bleiben müsse. Der amerikanische Präsident redete von einer „permanenten palästinensischen Grenze zu Jordanien“.

Dass die „Grenzen von 1967“ als Grundlage für Verhandlungen zu dienen hätten, wurde allerdings von Israel spätestens unter Ariel Scharon akzeptiert, als 2003 der Sperrwall entlang dieser Linie errichtet wurde. Obamas Zugeständnis zu einem „vereinbarten Gebietsaustausch“ entspricht möglicherweise dem Verbleib der „Siedlungsblöcke“ bei Israel, wie es Netanjahu am Mittwoch vor der Knesset erwähnt hat. Die in Israel übliche Formel „schmerzhafte Konzessionen“ entspricht der Bereitschaft, die meisten verstreuten Siedlungen im Westjordanland zu räumen.

Unklar ist, wie die Palästinenser zu einem „zusammenhängenden“ Staat gelangen könnten, da zwischen Gaza und dem Westjordanland der Staat Israel liegt. Unklar ist auch, wie Terror und Waffenschmuggel unterbunden werden sollten, wenn der souveräne Palästinenserstaat an arabische Staaten grenzt und Israel dann nichts mehr kontrollieren könnte. Obama hat die Forderung nach einem „entmilitarisierten“ palästinensischen Staat von Ministerpräsident Netanjahu übernommen, 2009 in der Bar Illan Universität als Antwort auf die Kairoer Rede Obamas ausgesprochen. Entmilitarisierung entspricht jedenfalls nicht palästinensischen Vorstellungen von Souveränität und Selbstständigkeit. Die Palästinenser wollen sich auch längst nicht mehr mit einem „Rückzug in Phasen“ abfinden, wie es Obama jetzt vorschlägt.

Ebenso hat Obama hat Netanjahus Prinzip akzeptiert, erst einmal die Sicherheits- und Grenzfragen zu klären, und die „herzzereißenden wie emotionalen“ Fragen „Jerusalem“ und „palästinensische Flüchtlinge“ zu vertagen.

Am Freitag landet Netanjahu in Washington und wird dort Obama treffen. Israelische Befürchtungen, weil Obama seine Rede vor der Ankunft Netanjahus halten wollte, anstatt erst einmal Netanjahu anzuhören, dürften sich angesichts der fast ausnahmslosen Akzeptanz israelischer Standpunkte und ungewöhnlich harten Kritik an den Palästinensern zerschlagen haben. In einer ersten Reaktion auf Obamas Rede kritisierte der israelische Regierungschef lediglich die Aussicht, dass Israel die Jordansenke aufgeben müsse. Aber das ist in dem Kontext nur eine Detailfrage und ohnehin Zukunftsmusik, sodass keine Krise zu erwarten ist. Allerdings hat Netanjahu für einen Affront gesorgt. Wenige Stunden vor seinem Abflug wurde der Bau 1500 neuer Wohneinheiten in den Jerusalemer Vierteln Har Homa und Pisgat Zeev abgesegnet, also in Vierteln jenseits der „Grenze von 1967“. Aus Sicht der Amerikaner sind das „Siedlungen“.

(C) Ulrich W. Sahm / haGalil.com

Lesen Sie den Beitrag von Ulrich Sahm bei Hagalil.com vom 20.05.2011


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