Wanderer zwischen den Welt – Michael Rimmel am 20. September zu Gast bei DIG und JVHS

Meggie Jahn und Michael Rimmel
Meggie Jahn und Michael Rimmel

Er hat es geschafft: Nach seiner fünfmonatigen Teilnahme am Interparlamentarischen Stipendienprogramm des Bundestages (IPS) im Jahr 2009 fragte ihn Bundestagspräsident Prof. Dr. Norbert Lammert, ob er nicht dauerhaft als wissenschaftlicher Mitarbeiter in seinem Abgeordnetenbüro arbeiten wolle.  Und er ist geblieben.  Am 20.09. sprach Michael Rimmel bei einer gemeinsamen Veranstaltung von DIG Berlin und Potsdam und Jüdischer Volkshochschule von seinen Erfahrungen, sich zwischen zwei Welten – und zwei Identitäten – zu bewegen.

Nachdem seine Großeltern mütterlicherseits 1937 von Chemnitz bzw. Leipzig ins damalige Palästina geflüchtet waren, ließen sie sich in Haifa nieder.  Auch die Eltern seines Vaters mußten in der Nazizeit Polen verlassen und legten vor ihrer Ankunft in Palästina eine lange Odyssee zurück. Zahlreiche Familienmitglieder fielen dem Holocaust zum Opfer.  Michaels Großvater, der im 1. Weltkrieg für Deutschland gekämpft hatte, machte in Haifa nach dem Krieg  einen Buchladen auf und blieb sein Leben lang – wie viele Jeckes – der deutschen Sprache und Kultur verbunden.“ Der Spiegel gehörte zu seiner wöchentlichen Lektüre.

Sigalit Meidler-Waks, Leiterin der JVHS, stellte Michael Rimmel vor.
Sigalit Meidler-Waks, Leiterin der JVHS, stellte Michael Rimmel vor.

Da die Tochter oft im Laden aushalf, lernte sie dort seinen Vater kennen. Nachdem diesem Ende der 70er Jahre eine Arbeit in München angeboten worden war, wurde Michael 1979 dort geboren. Nach Trennung der Eltern kehrte seine Familie 1981 nach Israel zurück in die heutige Küstenmetropole Haifa. Nach dem Abitur am Gymnasium ”Alliance Israélite Universelle” leistete er von 1997 bis 2000 seinen Grundwehrdienst als Ausbilder für Fallschirmspringer in der israelischen Armee ab.

Nach einem Aufenthalt in Nord- und Südamerika – viele junge Israelis entdecken nach dem Militärdienst die Welt – studierte Michael von 2004 bis 2009 Politikwissenschaft an der Freien Universität Berlin und an der Universität Tel Aviv. In Berlin war er auch tätig als Referent bei der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas und lernte dort viele Deutsche kennen, die ernsthaft an der Aufarbeitung ihrer Geschichte interessiert waren. Von 2008 bis 2009 arbeitete er als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Tel-Aviv im Fachbereich Politikwissenschaft. Dort habe er auch Kontakte zu Palästinensern gehabt, so Rimmel.

Auf Vermittlung von Dr. Angelika Timm – früher am Lehrstuhl Israelwissenschaften der Humboldt-Universität und heute Leiterin der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Tel Aviv – nahm er 2009 am Internationalen Parlaments-Stipendium des Deutschen Bundestag teil und machte in diesem Rahmen ein fünfmonatiges Praktikum im Büro des Bundestagspräsidenten, Prof. Dr. Norbert Lammert.  Er habe zunächst gezögert, diesen Schritt zu tun, da er gewußt habe, wenn die Tür nach Deutschland einmal geöffnet war, werde sie schwer wieder zu schließen sein. Doch am Ende habe ihn Frau Dr. Timm überzeugen können, doch an dem Programm teilzunehmen.

Rund 50 Interessierte waren in die Jüdische Gemeinde gekommen.
Rund 50 Interessierte waren in die Jüdische Gemeinde gekommen.

Er wisse, dass er als Israeli in Deutschland eine „gewisse Zusatzaufgabe“ habe. Er sieht es als „besondere Verantwortung“, fragenden Kollegen und anderen Interessierten Zusammenhänge über den Nahost-Konflikt zu erklären und mehr Kenntnisse über Israel und seine Menschen zu vermitteln.  Dabei verschweigt er die Probleme seines Landes nicht und setzt sich kritisch damit auseinander. Das ist sympathisch. Berührungsängste welcher Art auch immer hat er nicht, ein wenig bedauert er, in Berlin noch nicht mit Palästinensern zusammen getroffen zu sein.  Antisemitismus sei ihm bisher nicht begegnet, er sei immer offen aufgenommen worden. Die Presseberichterstattung in Deutschland will er nicht pauschal als israelkritisch bezeichnen, auch wenn es sicher Beispiele dafür gebe. Mitglied der Jüdischen Gemeinde sei er nicht, nur wenige Israelis identifizierten sich mit der Gemeinde, vermutlich weil sie sich zuerst als Israelis und nicht als Juden fühlten, die noch dazu nur selten religiös seien.

Er kenne den Bundestag inzwischen besser als die Knesset, so Michael Rimmel, das Umfeld gefalle ihm, in Deutschland laufe doch manches „geradliniger“ als in Israel. Einige seiner Freunde nennen ihn schon „Horst“, da er doch kaum von Deutschen zu unterscheiden sei.  Ein wenig merkwürdig sei es schon gewesen, Shimon Peres am 27.01.2010 anlässlich seiner Rede zum Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus 2010 im Bundestag zu treffen. Was hatte er eigentlich als Israeli auf Seiten der Deutschen verloren? So auch die fragenden Augen von dessen Entourage.

Und so zieht es Michael auch immer mal wieder nach Israel, ihm fehlt die mediterrane Lebenskultur, an Haifa schätzt er die multikulturelle Atmosphäre. Auch gebe es in Akko, nicht weit von Haifa entfernt, den besten Humus.

Es war ein kurzweiliger Abend und so dankte Meggie Jahn dem Referenten zum Abschluss für seine Bereitschaft, uns an seiner Biografie und seinen Erfahrungen teilhaben zu lassen und für die Offenheit in der Diskussion.

v.l.: Meggie Jahn, Michael Rimmel und Sigalit Meidler-Waks
v.l.: Meggie Jahn, Michael Rimmel und Sigalit Meidler-Waks


Mehr Infos:

Blickpunkt Bundestag vom August 2009

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