Vor 125 Jahren wurde David Ben Gurion geboren
Von Peter Philipp
Er prägte den Weg der Staatswerdung Israels: David Ben Gurion. Ein überzeugter Zionist und Machtpolitiker, der sich früh von herkömmlichen Friedensvorstellungen verabschiedete, andererseits aber bereit war, wenige Jahre nach dem Holocaust erste Kontakte mit Deutschland aufzunehmen.
Die Einladung zum Treffen im damaligen Tel-Aviver Museum war am Morgen des 14. Mai 1948 als Geheimsache ergangen. Es dauerte dann nur eine knappe halbe Stunde, aber es war mit Sicherheit der Höhepunkt im politischen Leben des Mannes, der hier vor rund 250 Gästen die Unabhängigkeitserklärung des jüdischen Staates verlas:
„Am letzten Tage des britischen Mandates über Palästina verkünden wir hiermit kraft unseres natürlichen und historischen Rechtes und aufgrund des Beschlusses der Vollversammlung der Vereinten Nationen die Errichtung eines jüdischen Staates im Lande Israel – des Staates Israel.“
Der 61-jährige David Ben Gurion sah einen Traum verwirklicht, für den er seit seiner frühen Jugend gearbeitet hatte. Am 16. Oktober 1886 im polnischen Plonsk als Sohn des jüdischen Juristen Avigdor Grün geboren, wuchs er in einem nicht-religiösen, dafür aber umso mehr vom Zionismus beeinflussten Elternhaus auf. Noch keine 20 wanderte er nach Palästina aus – damals Teil des Osmanischen Reiches – und schloss sich einer der noch jungen jüdischen Siedlungen dort an. Konstantinopel unternahm nichts gegen die zunehmende Einwanderung vor allem osteuropäischer Juden und Ben Gurion – wie er sich inzwischen nannte – hoffte, den Sultan zu einer Autonomie für die jüdischen Siedler überreden zu können.
Ben Gurion, der zum Studium nach Konstantinopel gekommen war, wurde ausgewiesen. Er ging in die USA und engagierte sich dort für die Verwirklichung des politischen Zionismus. Der Zerfall des Osmanischen Reiches in der Folge des Ersten Weltkrieges kam ihm dabei zugute, ebenso die „Balfour-Erklärung“, mit der London 1917 sein „Wohlwollen“ gegenüber der Errichtung einer jüdischen Heimstätte in Palästina ausdrückte.
In den Jahren des britischen Mandats erwachte deswegen der arabische Widerstand gegen die jüdische Einwanderung – die vor dem Hintergrund der Judenverfolgung und -vernichtung durch die Nazis dramatisch zunahm. Gewaltsame Übergriffe von Arabern auf Juden, deren Vergeltungsaktionen und jüdische Terroranschläge gegen Briten brachten London zu dem Entschluss, das Mandat im Mai 1948 niederzulegen. Zuvor jedoch hatten verschiedene Kommissionen bereits die Teilung Palästinas empfohlen und im November 1947 stimmten die Vereinten Nationen zu:
Ein halbes Jahr später war das Mandat beendet. Ben Gurion rief den Staat Israel aus. Sofort begann der konzertierte Angriff der arabischen Armeen, aber Israel konnte sich behaupten. Und Ben Gurion – Israels erster Regierungschef – zeigte sich unnachgiebig gegenüber späteren Forderungen der Araber, auf die UNO-Beschlüsse zum Nahen Osten zurückzukehren:
„Nicht nur, dass alle arabischen Staaten und auch Ägypten diese Resolutionen abgelehnt und gegen sie verstoßen haben. So, wie wir nicht all unsere toten Söhne und Töchter zurückbringen können, die in diesem Unabhängigkeitskrieg umgekommen sind, so kann diese Resolution nicht zurückgebracht werden. Frieden muss auf der Grundlage des Status quo geschlossen werden.“
Ben Gurion schied 1953 aus dem Amt und zog sich in den Kibbutz Sde Boker in der Negev-Wüste zurück, um wenig später im Vorfeld des Sinai-Krieges 1956 als Verteidigungsminister und dann auch Premierminister zurückzukehren. Doch 1963 trat er erneut zurück – diesmal wegen einer Geheimdienstaffäre. In der Folge wechselte er mehrmals die Partei, bis er sich 1970 endgültig nach Sde Boker zurückzog, wo er nach seinem Tod drei Jahre später beigesetzt wurde.
Gegenüber Deutschland nahm Ben Gurion eine in Israel nicht unumstrittene Haltung ein: Er ließ ein Wiedergutmachungsabkommen aushandeln. Außerdem war er überzeugt davon, dass sich nach 1945 ein neues Deutschland entwickelt habe. Der damalige Bundeskanzler Konrad Adenauer erinnert sich an sein denkwürdiges erstes Treffen mit Ben Gurion in New York:
„Ben Gurion hat mich mit einer wahren Herzlichkeit dort begrüßt. Ich glaube, dass dieses Zusammentreffen viel dazu beigetragen hat, in der gesamten Welt auch die Überzeugung hervorzurufen, dass wir tatsächlich eine Versöhnung einleiten.“