“Two wrongs don’t make a right”, lautet eine englische Redewendung. Frei übersetzt heißt das soviel wie, dass zweimal Minus nicht unbedingt Plus ergibt, wie uns die Mathematik weismachen will. Jedenfalls nicht in der Politik. Gestern habe ich die Palästinenser dafür kritisiert, dass sie den einfachen Weg über die UN gehen, um einen Staat zu bekommen, ohne die dafür nötigen Kompromisse eingehen zu müssen. Heute gilt es, die Israelis dafür zu kritisieren, dass sie die Aufnahme der Palästinenser als Vollmitglied der Unesco mit einem Ausbau von Siedlungen beantworten wollen – in Ostjerusalem, Gusch Etzion und Maale Adummim. Das war zwar irgendwie erwartbar, es ist aber weder kreativ noch hilfreich, auch wenn Premier Benjamin Netanjahu verlauten ließ, dass diese Siedlungsblöcke ohnehin nach einer Friedenslösung bei Israel verbleiben würden.
Sicher, die Israelis verweisen immer darauf, dass Siedlungsbau und -ausbau nicht dasselbe sind und dass man nur noch an Orten erweitere, die bei verschiedenen Verhandlungen schon als zu Israel fallende Gebiete identifiziert worden sind. Man hat jedoch das Gefühl, dass der Siedlungsbau inzwischen zu einer Obsession, zu einer fixen Idee geworden ist, bei der der Gewinn an strategischer Tiefe in keinem Verhältnis mehr steht zum Schaden, der dem Land dadurch entsteht. Der Siedlungsbau, so scheint es, ist eine Art Rückfalloption der Regierung Netanjahu/Liebermann. Und das macht es den wenigen noch verbliebenden Freunden Israels besonders schwer, für israelische Anliegen zu werben selbst dort, wo deren Berechtigung eigentlich auf der Hand liegt.
Israels Regierungskoalition redet sich und den Israelis gerne ein, dass die Ablehnung Israels seine Ursache im weit verbreiteten Antisemitismus habe und es deshalb ohnehin egal sei, was man tue. Nun lässt sich schwer leugnen, dass an Israel andere Maßstäbe angelegt werden als an alle anderen Staaten dieser Erde und dass antisemitische Einstellungen dabei eine Rolle spielen. Dieses Argument ist aber inzwischen auch zu einer wohlfeilen Ausrede geworden. Tatsächlich hängt das Ansehen Israels auch von der Politik ab, die das Land verfolgt. Und deshalb ist es höchste Zeit, von der Obsession mit dem Siedlungsbau zu lassen. Schon allein um den Antisemiten dieser Welt keine einfachen Argumente zu liefern, hinter denen sie ihre grundsätzliche Abneigung gegenüber dem jüdischen Staat verbergen können.
Blogseite von Clemens Wergin vom 02.11.2011.
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