Am 1. November 2011 gab es eine Premiere: Erstmals fand eine gemeinsame Veranstaltung von DIG Berlin/Potsdam und Jüdischer Volkshochschule (JVHS) in der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) statt. Kein Ort schien uns dafür besser geeignet. Dr. Sylke Tempel, bei der DIG seit langem hochgeschätzt und als Chefredakteurin der von der DGAP herausgegebenen Zeitschrift „Internationale Politik“ (IP) zugleich Gastgeberin, erklärte sich sofort bereit, die Moderation zu übernehmen. Als Hausherr sprach der Stellv. Präsident, Paul Freiherr von Malzahn, ebenso ein Grußwort wie die Leiterin der JVHS, Sigalit Meidler-Waks.
Angeregt durch einen Artikel im Berliner Tagesspiegel vom 11. Mai 2011 über „Die Friedenskämpfer“ Mansour Abu Rashid und Baruch Spiegel war es Sigalit Meidler-Waks gelungen, mit Hilfe von Sponsoren den jordanischen und israelischen General nach Berlin zu holen. Einst Kriegsgegner, sind die beiden seit langem Freunde und engagieren sich in Friedensprojekten, bei denen sie einander immer wieder begegnen. 1992 wurden der Chef des jordanischen Nachrichtendienstes und Sicherheitsberater von König Hussein und der Oberbefehlshaber der Golani-Brigaden, von Ministerpräsident Yitzhak Rabin mit der Aufgabe betraut, die Waffen niederzulegen und als Unterhändler für den Frieden zu fungieren – für beide die größte Herausforderung ihres Lebens. Nach jahrelangen Grenzstreitigkeiten schien die Zeit reif dafür. Ihre erste Begegnung fand unter UN-Flagge auf einer Brücke über dem Yarmuk, einem Seitenarm des Jordans, statt. Es ging um Wasser – die knappste und umstrittenste Ressource im Nahost. In Naharayim, nahe dem alten Ruthenberg-Wasserkraftwerk, einst von jüdischen Pionieren erbaut, war – wie beide später herausfanden – teilweise auf jordanischem Gebiet ein israelischer Kibbutz entstanden. Am Ende einigte man sich, das Land gemeinsam zu bewirtschaften und einen Friedenspark zu errichten. Ausgerechnet dort wurde 1997 von einem jordanischen Soldaten eine israelische Schulklasse während eines Schulausfluges beschossen, wobei sieben Mädchen starben.
Als Unterhändler waren Baruch Spiegel und Mahmoud Al Rashid 1994 dabei, als im Garten des Weißen Hauses auf Vermittlung von Bill Clinton der historische Handschlag zwischen Yitzhak Rabin und S.M. König Hussein stattfand und der Friedensvertrag zwischen Israel und Jordanien unterzeichnet wurde.
Das von Sylke Tempel exzellent moderierte Podiumsgespräch in englischer Sprache zeigte: Es ist möglich, Vorurteile und Feindbilder zu überwinden, wenn man sich von Mensch zu Mensch begegnet, wenn die Wellenlänge stimmt und man dieselbe Sprache spricht, was Generäle offenbar besonders gut können. Verständlich wird nun auch, warum Baruch Spiegel es für möglich hält, dass Dschenin als „Laborversuch für einen zukünftigen Palästinenserstaat“ (SZ-Reportage) dienen könnte. Hier arbeiten israelisches Militär und palästinensische Sicherheitskräfte, unterstützt durch deutsche, amerikanische und britische Entwicklungsgelder, inzwischen hervorragend zusammen. Nach der Terrorwelle ist mit Geschäften, Cafés und Restaurants wieder pulsierendes Leben eingekehrt. Dieses Modell könnten wir auf alle Regionen ausdehnen, so Spiegel. Wenig bekannt ist hier auch, dass in durch den Osloer Friedensprozess initiierten Fachgremien inzwischen wieder konstruktive Gespräche z.B. über gemeinsame Umweltprojekte stattfinden, ergänzte Abu Rashid. So gebe es viele „People to People projects“ in den Bereichen Ökologie, High Tech und Landwirtschaft, auch mit Palästinensern. Die Avocado, die ihm Baruch bei ihrem ersten Treffen auf der Brücke über dem Yarmuk Mahmoud überreicht hatte, so sein Freund Mansour, werde heute erfolgreich in Jordanien angebaut.
Für beide Generäle, die sich bis heute mit Titel anreden, ist gegenseitiges Vertrauen die wichtigste Voraussetzung für eine Verständigung. Sie sind stolz darauf, was sie erreicht haben, auch wenn sie einräumen, dass der Weg ohne Persönlichkeiten wie König Hussein und Yitzhak Rabin wohl steiniger gewesen wäre.
Trotz gemeinsamer Visionen und ähnlicher Sichtweisen auf die derzeit verfahrene Situation im israelisch-palästinensischen Verhältnis gab es – wie sollte es anders sein – auch unterschiedliche Positionen. Bei Baruch Spiegel, Kind von Überlebenden der Shoah (des Holocaust), dominierte die Sorge um Israels Sicherheit angesichts des fatalen Einflusses des Iran in Nahost und somit auch die unabsehbaren Folgen der ansonsten erfreulichen Umwälzungen in den arabischen Laendern. Angesprochen auf die Initiative von Palästinenserpräsident Abbas bei der UN auf Anerkennung eines Palästinenserstaates und die gerade bestätigte Aufnahme in die UNESCO wurden die Gegensätze deutlicher. Während der Israeli sich überzeugt zeigte, dass unilaterale Schritte zum jetzigen Zeitpunkt „kontraproduktiv“ seien und den so nötigen Dialog zwischen Israelis und Palästinensern eher verhinderten, befürwortete der Jordanier die Initiative, schon „wegen der zentralen Rolle Jerusalems“. Israel müsse in der Siedlungsfrage endlich nachgeben, denn es werde nur Ruhe in die Region einkehren, wenn der israelisch-palästinensische Konflikt gelöst sei.
Bei dem anschließenden Empfang wurde deutlich, dass wir beim offiziellen Teil des Abends viele spannende Geschichten verpasst hatten, die Herz und Kopf der beiden Referenten bewegen. Glücklich die, die ihnen noch lauschen konnten.
Wir danken der DGAP für die Gastfreundschaft, Dr. Sylke Tempel für die Moderation und Sigalit Meidler-Waks für ihren pausenlosen Einsatz, die Veranstaltung überhaupt möglich zu machen.
Meggie Jahn