Nirgends auf der Welt werden so viele erfolgreiche Start-ups gegründet wie in Israel. Was macht die jungen Israelis so gründungsfreudig?
Das neue Silicon Valley liegt im Nahen Osten, in der Metropolregion Tel Avivs. Hier gibt es die meisten Patentanmeldungen in der westlichen Welt, 40 Prozent davon in der IT-Branche und die meisten Start-up-Unternehmen im Hochtechnologiebereich überhaupt. Über zwei Milliarden Euro erwirtschaften die jungen israelischen Unternehmen mit Exporten der Softwareindustrie. Kein Wunder, dass Aufbruchstimmung bei den Jungunternehmern herrscht.
Der 27-jährige Amir Yaari ist so ein junger Unternehmer. Seine Firma SoulBounds entwickelt seit zwei Jahren Applikationen für Facebook. Rund 18 Millionen User nutzen monatlich ihre Apps wie Who loves you?, Love Test oder Best Friends Forever. Die Nutzung ist kostenlos, Gewinne werden über auf ihren Seiten eingestellte Werbebanner generiert. Vor allem in den USA würde ihr Angebot genutzt. Yaari ist nicht nur stolz auf den Erfolg seines Unternehmens, sondern auf den der gesamten israelischen IT-Branche.
Analysten bezeichnen den Großraum Tel Avivs auch als Silicon Wadi. Wadi ist die arabische Bezeichnung für ein ausgetrocknetes Flussbett. Ganz passend ist diese Metapher aber nicht. Israelische Unternehmen sind nach US-amerikanischen die am häufigsten im NASDAQ gelisteten. Nach Israel fließt in Relation zur Bevölkerungsanzahl doppelt so viel Risikokapital als in die USA und 30 mal mehr als nach Europa. Hier entstehen die meisten Start-ups weltweit.
Managementerfahrungen bei der Armee gelernt
Dabei war Israel nach seiner Staatsgründung vor 63 Jahren vor allem ein von Agrarwirtschaft geprägtes Land. Die Mitglieder der Kibbutzim wollten das Land durch der eigenen Hände Arbeit gestalten. Aus Europa eingewanderte Akademiker wurden zu Bauern. Eine Industrialisierung hat das Land kaum erlebt. Israel hat diesen Entwicklungsschritt übersprungen – direkt ins Hightech-Zeitalter. „Ich denke, Juden mussten immer schon innovativ sein, das hat uns geprägt“, sagt Yaari. Sein 29-jähriger Geschäftspartner Gil David hat noch eine andere Theorie: Die Juden müssten sich beweisen, dass sie erfolgreich seien und im internationalen Wettbewerb bestehen könnten. Unterbewusst würden sie damit auch das Trauma von jahrhundertelanger Verfolgung und Ausgrenzung verarbeiten. „Darum sind wir ein wenig risikofreudiger und erfindungsreicher als der Rest der Welt“, sagt der Unternehmer.
Auch die amerikanischen Autoren Saul Singer und Dan Senor haben sich die Frage gestellt, warum die Israelis so gründungsfreudig sind. In ihrem Buch Start-up-Nation – Die Geschichte vom israelischen Wirtschaftswunder (Hanser Verlag, 2012)argumentieren sie zum einen mit der Einwanderung von Menschen aus aller Welt, die ihr Wissen und ihre Erfahrungen mitbringen. Zum anderen führen sie auch den für Männer und Frauen obligatorischen Militärdienst an. Dadurch würden die jungen Israelis Verantwortungsbewusstsein, Führungs- und Managementqualitäten erwerben. Das kombiniert mit einem Studium im technischen Bereich würde sie im internationalen Vergleich fitter für den Wettbewerb machen, so die Erklärung der Autoren.
Auf Yaari und David treffen diese Thesen zu. „Wir wollten schon immer Unternehmer sein“, sagt David. Die beiden gehören einer Generation an, die mit Computern aufgewachsen ist, beide haben drei Jahre in der Armee gedient. Yaari war in einer Einheit für IT-Netzwerke tätig, danach studierte er Informatik und gründete nebenbei SoulBounds. Weil das Unternehmen rasch erfolgreich war, brach er das Studium ab. Die Zeit bei der Armee habe ihn erwachsen werden lassen, sagt Yaari. Das helfe, um als Jungunternehmer erfolgreich zu sein. Allerdings hätte er auch ohne die Erfahrungen in der Armee ein Unternehmen gegründet.