Clemens Wergin zum Israelisch-Europäischen Dialog im Springer-Haus

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Schwerpunkt des Europäisch-Israelischen Dialogs

Die schwierige Sicherheitslage Israels nach den arabischen Revolutionen war … der Schwerpunkt des Europäisch-Israelischen Dialogs im Berliner Axel-Springer-Haus. „Vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen im Nahen Osten ist ein gemeinsamer europäisch-israelischer Gedankenaustausch wichtiger denn je.

Schließlich haben beide Regionen gemeinsame wirtschaftliche außen- und sicherheitspolitische Interessen“, sagte Mathias Döpfner, Vorstandsvorsitzender der Axel-Springer AG. Der Europäisch-Israelische Dialog, der dieses Jahr zum elften Mal führende Politiker, Experten, Wirtschaftsführer und Journalisten zusammenbrachte, wird von der Axel Springer AG und dem Institute for Strategic Dialog ausgerichtet.
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Wie man die Ereignisse in der arabischen Welt begrifflich fassen soll war umstritten. „Viele nennen es das arabische Erwachen oder den arabischen Frühling“, meinte etwa Lord Weidenfeld, „tatsächlich handelt es sich aber eher um ein Erdbeben“. Auch der deutsch-ägyptische Publizist Hamed Abdel-Samad sprach von einer Verschiebung tektonischer Platten.

Marshallplan für Ägypten

Abdel-Samad hat mehrere Wochen am Tahrir-Platz in Kairo mit den jungen Revolutionären demonstriert. „Leider sieht man nicht, dass die jungen Leute heute auch noch eine Rolle spielen“, so Samad. „Die alte Garde kommt zurück.“ Abdel-Samad plädierte für einen Marshallplan für die Region, der Israel mit einschließen solle. Dabei müsse es vor allem darum gehen, in den arabischen Ländern eine neue Bildungspolitik zu unterstützen und die Wirtschaft anzukurbeln.

Außerdem solle dieser Plan auch den Friedensprozess unterstützen, indem palästinensische Flüchtlinge in den verschiedenen arabischen Ländern, in denen sie leben, integriert werden statt auf ein Rückkehrrecht nach Israel zu warten. Vor allem käme es aber darauf an, die Mentalitäten arabischer Länder zu verändern. „Der Kampf gegen die Religion wird härter als der Kampf gegen Mubarak“, prophezeite Abdel-Samad.

Wie viele Israelis hat auch Brigadegeneral Yosef Kuperwasser Sorge, wie sich die Revolutionen entwickeln. „Wir sehen einen harten Kampf verschiedener Kräfte, die diesen historischen Moment versuchen zu prägen“, sagte er. Da stünden die Anhänger der Modernisierung gegen nationalistische und islamistische Bestrebungen. Und die Radikalen seien im Vorteil. Weil die Autokraten ihre Völker nie dazu erzogen hätten, selbst Verantwortung zu übernehmen.

Bessere Organisation der Radikalen

Deshalb seien viele Leute anfällig für die Botschaften der Radikalen, dass andere, ausländische Mächte für die Misere der arabischen Welt verantwortlich seien. Zudem seien die Radikalen besser organisiert. Kuperwasser sah aber auch Grund für Optimismus. Es sei das erste Mal, dass nun eine junge Generation sage: Es liegt an uns, die Zukunft zu gestalten. Zudem könne die freie Welt die Entwicklung durchaus beeinflussen. Denn nur der Westen verfüge über die Fähigkeiten, der Wirtschaft in den arabischen Ländern auf die Beine zu helfen.
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Schwere Kämpfe in Gaza

Und nur er sei in der Lage wie nun in Libyen militärisch zu intervenieren. Zudem habe die freie Welt ein politisches Modell, das die Araber für ihre Zwecke anpassen könnten und das in der Lage sei, den Wunsch der Leute nach Freiheit und Würde zu garantieren. Kupferwasser warnte jedoch, im Moment sei Iran der Hauptnutznießer der Entwicklung. Niemand frage zurzeit nach der iranischen Bombe. Tatsächlich verfüge Teheran aber inzwischen über eine Menge an niedrig angereichertem Uran, mit der man drei Bomben bauen könnte.

„Israel braucht gerade jetzt gute Freunde“

Angesichts dieser Herausforderungen bekräftigte Innenminister Hans-Peter Friedrich: „Israel braucht gerade jetzt gute Freunde.“ Friedrich ging auch auf das Problem Deutschlands mit der muslimischen Integration ein und betonte, dass ein besonderes Anliegen der Islamkonferenz sei, antisemitische Eintellungen unter Muslimen zu bekämpfen. „Wir bieten eine freie und tolerante Gesellschaft an, aber wir verlangen auch von anderen, dass sie sich an diese Freiheit und diese Toleranz halten“, sagte der Minister.

Zuweilen sind die Übergänge zwischen Antisemitismus und Antiisraelismus fließend. Wie der Historiker Michael Wolffsohn zeigte, ist es mit der Sympathie für Israel aber auch in der autochthonen deutschen Bevölkerung schlecht bestellt. Und das hat nicht allein mit Israels Siedlungspolitik zu tun. So konnte Wolffsohn nachweisen, dass der jüdische Staat seit den 50er Jahren ein geringes Ansehen bei den Deutschen hat, als das Problem der besetzten Gebiete gar nicht existierte.

„Europa mag den Nationalismus nicht“

Heute sind die Deutschen das israelfeindlichste Volk Europas. Wolffsohn führt das schlechte Ansehen Israels vor allem auf unterschiedliche Einstellungen gegenüber dem Einsatz militärischer Gewalt zurück. Da bestehe zwischen Israel und der USA auf der einen und Europa auf der anderen Seite eine große Kluft.

Der ehemalige sowjetische Dissident Natan Sharansky hatte noch ein weiteres Erklärungsmuster parat: „Europa mag den Nationalismus nicht. Und es gibt dieses Gefühl, dass wir Israelis noch immer der Sünde des Nationalismus ergeben seien.“ Europa würde gerne in einer Welt leben, in der es nichts gibt, wofür es sich zu sterben lohne. Das werde sich möglicherweise ändern, wenn Europa realisiere, dass der Multikulturalismus gescheitert sei, und dass es durchaus einige Werte gäbe, für die es sich zu sterben und zu kämpfen lohne. Innenminister Friedrich säkundierte Sharansky: „Wir müssen für unsere Werte kämpfen“, antwortete er, „mit allen Konsequenzen“.

Alternativvorschläge gefallen Liberman nicht

Am Abend wies Außenminister Guido Westerwelle darauf hin, dass die Basis der guten Beziehungen Deutschlands zu Israel eben nicht allein „unserer dunkelsten Geschichte“ ist. „Es gibt auch einen weiteren guten Grund dafür: unsere gemeinsamen Werte.“ Westerwelle machte aber auch deutlich, dass es zuweilen Differenzen zwischen beiden Staaten gäbe.

So dürfte den Deutschen, die trotz der unklaren Lage in der Region weiter auf einen schnellen Friedensschluss drängen, der Alternativvorschlag von Israels Außenminister Avigdor Liberman wenig gefallen haben.

Liberman ist wie auch der israelische Soziologe Shlomo Avineri der Meinung, das dies nicht die richtige Zeit ist für eine endgültige Lösung des Konflikts. Seine Alternative: Eine Interimslösung. Liberman verkündete im Axel-Springer-Haus, dass er einen Vorschlag zu einer langfristigen Zwischenlösung mit den Palästinensern fertig in der Schublade habe, einschließlich aller notwendigen Karten. Er warte nur noch auf einen geeigneten Moment, um ihn den Partnern zu präsentieren.

Westerwelle drängt auf Fortschritte beim Friedensprozess

Auch wenn Westerwelle auf rasche Fortschritte beim Friedensprozess drängte, so machte er noch einmal deutlich, dass seine Regierung die von den Palästinensern angestrebte einseitige Anerkennung eines Palästinenserstaates durch die UN-Generalversammlung ablehnt.

Und was die arabischen Revolutionen anbelangt, so mahnte der deutsche Außenminister zu mehr Einfühlung in die israelische Situation: „Wenn wir in solch einem kleinen Land leben würden wie Israel und sehen würden, was um uns herum in der Region passiert, dann wären wir auch sehr beunruhigt.“

Lesen Sie hier den gesamten Artikel bei WELT ONLINE vom 08.04.2011

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