Bericht: Buchvorstellung: Meyer Levin

Bericht: Buchvorstellung: Meyer Levin: Auf der Suche in aufgewühlten Zeiten. Eine Veranstaltung der DIG Berlin und Brandenburg in Kooperation mit dem Mideast Freedom Forum Berlin (MFFB) am 27. September 2023 im Jüdischen Gemeindehaus in der Fasanenstraße.

 „Ich will mich selbst kennenlernen“

Er berichtete über den spanischen Bürgerkrieg, begleitete die US Army im Zweiten Weltkrieg, sah das Grauen in den deutschen KZs, erlebte die Flucht der Displaced Persons nach 1945, entdeckte 1950 die Tagebücher von Anne Frank und besuchte immer wieder Israel. „Ich will mich selbst kennenlernen“ – so kommentierte der in Chicago geborene Schriftsteller Meyer Levin sein Leben. Er verfasste sechzehn Romane, unzählige Reportagen und drehte Filme. Seine Autobiographie „Auf der Suche in aufgewühlten Zeiten“ wird jetzt ins Deutsche übersetzt.

Über das Buch und seinen Autor diskutierten die Übersetzer Alex Carstiuc und Janina Reichmann sowie Michael Spaney vom MFFB.

Wie soll ich als Jude leben? Welche Beziehung habe ich zu Israel? Wie bin ich zu dem geworden, der ich bin? Fragen, die den 1905 in Chicago geborenen Meyer Levin prägten und formten. Seine Eltern kamen aus Vilna, sprachen jiddisch. Als Kind erlebte er in der Stadt der Schlachthöfe und der Stahlindustrie Antisemitismus. Mit zwanzig besucht er Paris, liest europäische Literatur. 1925 reist er für einige Wochen nach Palästina, schreibt über die Hebräische Universität. „Ein Gefühl der Wahrhaftigkeit“ – bemerkt er dazu und geht erstmal in die USA zurück. Ende der 20er Jahre lebt er in einem Kibbuz, trifft dort auf Golda Meir. Wundert sich, dass die unterdrückte arabische Bevölkerung den Zionismus ablehnt.
Die USA waren damals von Arbeitslosigkeit und Streiks geprägt. Meyer Levin schreibt zwei Bücher darüber. Der Verleger schlägt ihm ein Pseudonym vor, denn der Antisemitismus in den USA nimmt zu. 1938 geht er nach Spanien – man rät ihm wieder zu gehen, denn der „Kampf sei verloren“. Er dient im Pressecorps der amerikanischen Armee, nimmt an der Ardennenschlacht teil, will Deutschland besiegen. Er fährt nach Theresienstadt, Dachau, Bergen-Belsen. Nach Prag und in das nahezu komplett zerstörte Warschau. Sucht zusammen mit seinem Fotografen Éric Schwab „die letzten Ecken des Krieges“. Dreht einen Film über Überlebende von Buchenwald, die einen Kibbuz gründen, um sich auf Palästina vorzubereiten. Auf seinen Reisen kommt er in den Besitz der Thora von Köln und bringt sie zurück.

In den 50er Jahren kritisiert Meyer Levin, dass in den amerikanischen Veröffentlichungen der „Tagebücher der Anne Frank“ das spezifisch Jüdische herausgelassen wurde. Immer wieder betont er die Singularität der Shoah. Engagiert sich aber auch in der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung. Und immer wieder fragt er: Welche Beziehung habe ich zu Israel? Wie soll ich als Jude leben? Doch in einem Punkt ist er sicher: Jude und Schriftsteller – das ist untrennbar.

Im Jahr 1981 stirbt Meyer Levin in Jerusalem.

                                                                                                                                     Text: Gudrun Küsel

Fotos: Inge Kundel-Saro

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Meyer Levin: Auf der Suche in aufgewühlten Zeiten. 600 S., Übersetzung: Janina Reichmann und Alex Carstiuc. Edition Tiamat, Berlin Frühjahr 1924

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