Bericht: Deutschland und Israel – Wie weiter?

Großes Interesse an Podiumsdiskussion mit Botschafter Ron Prosor an der Uni Potsdam

Botschafter Prosor im Gespräch mit Prof. Sönke Neitzel von der Universität Potsdam. (Foto: Küsel)

 

Zu der Diskussion am 29. Mai hatte die Deutsch-Israelische Gesellschaft und die Professur für Militärgeschichte/Kulturgeschichte der Gewalt an der Universität Potsdam den Botschafter des Staates Israel, Ron Prosor, auf den Campus eingeladen. Die Veranstaltung war schnell ausgebucht und die Medien zeigten großes Interesse. Auch Israel-Gegner waren aufmerksam geworden. Etwadreißig junge Protestierer hatten sich auf dem Campus postiert: „Kinder wollen leben – Israel ist dagegen“ – skandierten sie laut und gut von der Polizei bewacht. Und im Audimax schrie ein Zuhörer der Diskussion in der vierten Reihe: „Fucking Israel! Vierzigtausend Leute sind tot!“ Er ließ sich widerstandslos hinausführen.

Die Zuhörer des gut besetzten Saales blieben ruhig. Der Präsident der DIG, Volker Beck, ging in seiner Begrüßungsansprache kurz auf die Proteste ein: Man könne in Deutschland kaum noch reden, sondern es werde immer mehr geschrien, sagte er. Niemand verstehe so richtig, in welcher Situation Israel jetzt sei. Vergangenheit, auch die Israels, sei für jüngere Leute leider oft nur noch „ferne Geschichte“.

„Israels Antwort ist Selbstverteidigung“

Ron Prosor erinnerte zu Beginn seines Vortrags an den Rückzug Israels aus dem Gaza-Streifen im Jahr 2005. „Es gibt dort keine Siedler mehr, aber Gaza wurde ein Terrorstaat.Trotzdem dachten wir lange Zeit: vielleicht können wir ja mit seinen Bewohnern zusammenleben.“ Doch die Staatsraison der Hamas sei immer dieselbe geblieben: „Israel muss vernichtet werden.“ Er verwies auf Schulbücher für die 5. Klassen in Gaza, in denen Mörder als Vorbild hingestellt werden. „Was soll Israel also tun?“ fragte Prosor. Waffenstillstand? „Ja, gleich morgen, wenn die Geiseln frei sind.“ Doch er befürchtet: „Wir können es uns nicht leisten aufzuhören.“

Der 7. Oktober sei ein Massaker ohne vorherige Provokation gewesen. Es sei auch kein Zufall, dass der Überfall kurz vor einem Abkommen mit Saudi-Arabien erfolgte. Israels Antwort sei Selbstverteidigung. „Aber alle sagen, wir sollen aufhören. Wie aber sollen die Geiseln frei kommen? Alles, was wir tun, ist offenbar nicht richtig.“ Zu dieser allgemein üblichen Meinung trügen falsche Informationen seitens der Hamas bei. Laut UNO sei die Zahl der Toten und Verletzten weitaus niedriger als von der Hamas behauptet. Israel habe in der Vergangenheit niemals zivile Ziele bombardiert. „Wir sind aus Gaza raus, wir haben kein Interesse an dem Gebiet. Aber wir müssen in dem See von Diktaturen unser Land beschützen.“

Zwei Staaten für zwei Völker

„Wird der Krieg sich ausweiten? Gibt es einen Flächenbrand?“ fragte Prof. Sönke Neitzel in dem anschließenden Gespräch. „Ja vielleicht, nämlich dann, wenn Israel zögert. Hisbollah und Iran sind gefährlich – die drohen nicht nur.“ Doch: “Wir können etwas aufbauen, nur mit Hamas wird das nicht gehen.“ Wie aber dann? Ron Prosor verwies auf die Rolle der EU und Deutschlands, „dem zweitwichtigsten Partner nach den USA“. Er kritisierte die „papageienartige Wiederholung der Zwei-Staaten-Lösung“. Was Israel wolle? „Einen jüdischen demokratischen Staat und einen palästinensischen demokratischen Staat. Zwei Staaten für zwei Völker. EineLösung ist möglich, auch wenn es schwierig wird.“

Erst nebeneinander – später miteinander

Einige Zuhörer im Saal stellten die israelische Siedlungspolitik in der Westbank infrage. Wollten etwas über die Rolle der Fatah wissen. Ron Prosor dazu: „Es heißt immer, die Palästinenser sollen selbst entscheiden, wer sie führt. Doch eine andere Führung wäre besser. Eine, die zum Beispiel die Morde 1972 in München verurteilt.“ Das tue die Fatah bis heute nicht. Dennoch werde Israel auch mit der jetzigen Führung sprechen. Außerdem: „Vor 1967 gab es keine Siedlungen dort, aber wir wurden trotzdem angegriffen.“ Und die Toten in Gaza? fragte ein Zuhörer. Ist das verhältnismäßig? „Wir vergewaltigen nicht und hacken Babys nicht den Kopf ab.“ Und Prosor ergänzte: „Wir haben eine lebendige Demokratie und eine unabhängige Justiz.“

Wie wird die Zukunft aussehen? Die Antwort des israelischen Botschafters: „Wir sollten Empathie für die Bevölkerung in Gaza entwickeln. Das ist Teil unserer Werte.“ Und die Araber sollten geopolitische Verantwortung übernehmen, statt sich nur auf die UNO zu verlassen. Die Abraham-Abkommen zeigten, dass eine Zusammenarbeit möglich ist. „Vielleicht erst einmal nebeneinander – und in der Zukunft miteinander leben.“

Gudrun Küsel

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