Besuch bei Freunden in schwieriger Zeit
DIG auf Solidaritätsreise in Israel
Ein Bericht von Meggie Jahn, Juli 2002
Vom 13. bis 18. Juni 2002 reiste eine 9-köpfige Delegation im Auftrag des Präsidiums nach Israel, an deren Spitze Jochen Feilcke, Vizepräsident und Vorsitzender der DIG Berlin, und Waltraut Rubien, Vizepräsidentin und Vorsitzende der DIG Hamburg.
Zweck des Besuches war nicht nur, in schwieriger Zeit Solidarität mit den Menschen in Israel zu demonstrieren, sondern auch ein Meinungsaustausch. Vor dem Hintergrund der bisweilen einseitigen Medienberichterstattung suchten wir insbesondere das Gespräch mit deutschen Journalisten. Nicht zuletzt wollten wir uns ein Bild vom Alltag in Israel machen und nach Wegen suchen, wie der Tourismus neu belebt werden könne.
Deutsche und Israelische Botschaft sowie das Staatliche Israelische Verkehrsbüro boten uns ein erstklassiges Programm, viele Anregungen kamen dabei von uns. Dazu gehörten u.a. ein Briefing beim Deutschen Botschafter Rudolf Dressler, ein Treffen mit Colette Avital, Vorsitzende der Israelisch-Deutschen Freundschaftsgruppe in der Knesset, Gespräche mit hochrangigen Vertretern des Außen- und Tourismusministeriums, mit israelischen Journalisten sowie mit Repräsentanten der Friedrich-Ebert- und Konrad-Adenauer-Stiftung. Im Programm war auch eine Zusammenkunft mit der IDG, u.a. vertreten durch ihren langjährigen Präsidenten, Botschafter a.D., Asher Ben-Nathan, seinen Vizepräsidenten, Botschafter a.D. Avi Primor, und deren Geschäftsführerin Lea Brakin, sowie mit Marianne Karmon, Vorsitzende der IDG Jerusalem. Wir diskutierten u.a. mit deutschen Journalisten wie Gisela Dachs („Die Zeit“), Jörg Bremer (FAZ), Ulrich W. Sahm (freier Journalist) und Carsten Kühntopp (Inforadio Berlin und ARD-Hörfunkstudio Tel Aviv. Die Treffen mit Vertretern von Neve Shalom und Givat Haviva gaben Einblick in die unverminderten Bemühungen um einen Dialog zwischen Juden und Arabern. Ein Gespräch mit Noah Flug – Vorsitzender des Dachverbands der Holocaust-Überlebenden – und Alice Schwarz-Gardos – Herausgeberin der deutschsprachigen Zeitung „Israel-Nachrichten“ rundete den Besuch ab. In der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem legte die Gruppe im Namen der DIG einen Kranz nieder.
Einschätzungen in Israel
- Nach dem Scheitern von Camp David scheinen immer mehr Israelis der Meinung, dass Israel den „Frieden“ wolle, während die Palästinenser den „Sieg“ und damit die Vernichtung Israels anstrebten. Die Selbstmordattentate gelten als „strategische Waffe“ in diesem „Krieg“. Der Palästinenserpräsident, so der deutsche Botschafter, habe sich erst kürzlich als Verhandlungspartner disqualifiziert, indem er öffentlich erklärt hatte, er wolle Jerusalem „mit einer Million Märtyrern zurück erobern“. Rudolf Dressler warf zudem die Frage auf, welches Interesse Arafat eigentlich daran haben solle, Staatschef des ärmsten und schwächsten Landes der Region zu werden. Im israelischen Außenministerium wurde zwar zwischen dem palästinensischen Volk, dessen miserable wirtschaftliche Situation gesehen wird, und seiner politischen Führung unterschieden. Die Palästinenser gelten aber als Teil der arabischen Welt, die in ihrer Mehrheit Israel bis heute nicht akzeptiert habe. Deshalb sei vor allem ein Frieden mit Syrien und den arabischen Nachbarn nötig. Der saudi-arabische Friedensvorschlag wurde begrüßt, müsse aber von außen unerstützt werden.
- In Israel und insbesondere unter Holocaust-Überlebenden reagiert man zu Recht empfindlich auf Vergleiche zwischen der israelischen Politik und dem Nazi-Terror in Deutschland. Ebenso falsch seien aber Vergleiche zwischen Hitler und Arafat, wie sie in Israel manchmal anklängen, so Noah Flug.
Begegnungen mit deutschen Korrespondenten
- Der Krieg zwischen Israelis und Palästinensern findet nicht nur an der politischen und diplomatischen, sondern auch an der Medienfront statt. Gegenüber deutschen Korrespondenten drangen wir deshalb darauf, künftig vorsichtiger mit Informationen umzugehen und in der Berichterstattung bei Wortwahl (z.B. Palästinenser wurden „ermordet“ o.ä.) und Recherche über die Opfer der Gewalt mehr Sensibilität und Genauigkeit zu beweisen.
- Auch im palästinensischen Volk gibt es nachweislich den Wunsch nach Frieden und Sicherheit. Gisela Dachs berichtete z.B. von der Mutter eines Selbstmordattentäters, die während eines Interviews, in dem sie zunächst stolz über die „Heldentat“ ihres Sohnes berichtet hatte, plötzlich zusammen gebrochen sei und sich unter Tränen gegen die verbrecherischen „Verführer“ ihres Sohnes gewandt hatte. Dachs erzählte auch von drei Palästinenserinnen, die nach dem vermeintlichen „Massaker“ in Dschenin die Version der Israelis bestätigten, dass sich Terroristen in den Häusern verschanzt und von dort ihre tödlichen Anschläge vorbereitet hätten. Unsere Delegation appellierte an die Medien, richtig zu stellen, dass in Dschenin beide Seiten eine etwa gleich hohe Anzahl von Opfern zu beklagen hatten (s. auch den jüngst vorgelegten UN-Bericht).
Was können wir tun?
- Die DIG sollte künftig noch mehr dafür tun, ein differenziertes Israelbild in Deutschland zu zeichnen, als es die oft auf Terror und Gewalt reduzierten Medienberichte zu leisten vermögen. Israel ist mit all seinen Problemen und Unzulänglichkeiten die einzige Demokratie im Nahen Osten und sieht sich schwierigen Nachbarn gegenüber.
- Mit Hilfe der Israelischen Botschaft und der deutschen politischen Stiftungen sollen künftig israelische und deutsche Journalisten, Politiker und Wissenschafter nach Deutschland eingeladen werden, um authentisch zu berichten. Wir baten unsere israelischen Freunde auch um Reaktionen zur Lage in Israel, damit wir effektiver und glaubwürdiger auf falsche Berichterstattung und durch Unkenntnis geprägte Kommentare antworten können.
- Das Netzwerk zwischen DIG und deutschen Institutionen in Israel soll künftig verstärkt werden, damit wir einer interessierten deutschen Öffentlichkeit mehr Hintergrundinformationen liefern können.
- Israelisches Tourismusministerium und Israelische Botschaft wollen in Absprache mit uns Modellprogramme vorlegen, um wieder mehr Besucher aus Deutschland nach Israel zu bringen.
Schlussbetrachtung
Alle unsere Gesprächspartner in Israel empfingen uns als „Freunde“. Überraschend war für uns, dass die Möllemann-Debatte nur zurückhaltend kommentiert wurde. Auch im Außenministerium konzedierte man, dass nicht alle deutschen Medien israelfeindlich seien und nicht jede Kritik an der israelischen Regierungspolitik Antisemitismus entspringe. Einige unserer Gesprächspartner bemerkten, dass gerade Freunde und damit Kenner der schwierigen Lage in Nahost aufgefordert seien, sich auch kritisch zu Teilen der israelischen Politik zu äußern. Die DIG sei letztlich nur glaubwürdig und erfolgreich, wenn sie von der Öffentlichkeit nicht als „verlängerter Arm der Israelischen Botschaft“ wahrgenommen würde. Darüber sollten wir einmal nachdenken.