Akademische Zusammenarbeit zwischen Israel und Deutschland aus Sicht der Universitäten
Ein Bericht von der Podiumsdiskussion der Konrad Adenauer Stiftung in Zusammenarbeit mit der Deutsch-Israelischen Gesellschaft Berlin-Brandenburg e.V. am 17. April 2016
Prof. Dr. Asher Cohen, Rektor der Hebräischen Universität Jerusalem
Prof. Dr. Christoph Markschies, ehemaliger Präsident der Humboldt Universität Berlin und Leiter des Instituts Kirche und Judentum
Moderation: Dr. Gesine Palmer, DIG
Ein Veranstaltungsbericht von Dr. Gesine Palmer
Vom 14. Bis 17. April hielt die Hebräische Universität Jerusalem (HUJI) ihre 9. Europäische Konferenz im Berliner Hotel Waldorf Astoria ab. Unter den 180 Teilnehmern war die gesamte Führungselite der Universität und einige der besten Professoren der Universität waren nach Berlin gekommen. Die DIG, AG Berlin-Potsdam, und die Konrad Adenauer Stiftung konnten die Gelegenheit für ein Gespräch mit dem Rektor der Hebräischen Universität, dem Psychologen und Mitbegründer des interdisziplinären Brain-Centers der HUJI, Prof. Dr. Asher Cohen, nutzen. Mit ihm sprach vor ca. 80 Gästen der Patristiker und ehemalige Präsident der Humboldt-Universität, Vizepräsident der Berlin Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften und Leiter des Instituts Kirche und Judentum, Prof. Dr. Christoph Markschies (Begrüßung KAS: Rita Schorpp, Begrüßung DIG: Jochen Feilcke, Moderation: Dr. Gesine Palmer, Organisation: Maya Zehden).
Schon zu Beginn wurde klar, dass die Gesprächspartner gut drei Stunden länger hätten sprechen können: über die Idee der Geschichte, die Idee und das Material des Geistes, das Verhältnis von Philosophie und Lebenswissenschaften und vieles mehr. So ist das nämlich immer, wenn Akademiker zusammen kommen und einander begeistert davon erzählen möchten, was sie gerade beschäftigt, und voneinander wissen wollen, was sie gerade erforschen. Aber wir hatten eine ernste Vorgabe – Geschichte, Gegenwart und Zukunft der akademischen Zusammenarbeit – und wir hatten ein Publikum, das vor allem wissen wollte, wie sich diese Zusammenarbeit zur unerbittlichen Gegenwart des „ewigen Nahostkonflikts“ verhalte, wie Feilcke das in seiner Begrüßung ausdrückte.
Asher Cohen erinnerte en passent, aber nicht ohne Stolz an ein oft gering geschätztes Faktum: Bereits 30 Jahre vor der Ausrufung und Anerkennung eines jüdischen Staates in Eretz Israel war die wichtigste zionistische Gründung vollzogen, die alle anderen überragte: die Gründung der Hebräischen Universität in Jerusalem. Und vor aller bilateralen Zusammenarbeit zwischen den beiden Nachkriegsstaaten Bundesrepublik Deutschland und Israel war diese Universität eine waschechte deutsch-israelische Koproduktion: zunächst überwiegend von deutschsprachigen und in Deutschland ausgebildeten jüdischen Akademikern geplant und entwickelt, lebte sie gerade in ihren jungen Jahren ganz im Geiste Wilhelm von Humboldts: Eine Universität für alle, ein Ort, an dem Forschung und Lehre eine Einheit bilden, eine Universität, die möglichst den ganzen Fächerkanon weiter voranbringt. Und viele Jahre später, in den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts, als erste Erwägungen, das Deutsche zur Universitätssprache zu machen, ebenso Anekdote geworden waren wie die Proteste gegen die Wiedereinführung des Deutschunterrichts nach Aufnahme offizieller diplomatischer Beziehungen zwischen Deutschland und Israel, sahen Gaststudenten aus Deutschland in ihr die „letzte deutsche Ordinarienuniversität der Welt“.
2016 hat sich alles wieder weiter verändert. Heute gilt diese Universität als „eine der zehn besten europäischen Universitäten“. Tatsächlich hat sie teil an allen Problemen der europäischen Universitäten. Diese müssen die institutionellen Schwerfälligkeiten der Demokratisierung und der Tradition mit schleppen, wenn sie ihre Landeskinder (ein Ausdruck aus den Statuten deutscher Universitäten, auf dessen altertümliche Freundlichkeit Christoph Markschies mit besonderer Freude hinwies) mit der bestmöglichen Bildung versorgen wollen. Zugleich wollen und müssen sie aber im Wettbewerb um die besten Köpfe mit den amerikanischen Elite-Universitäten Boden gewinnen, wenn sie nicht ihre klügsten Absolventen an diese verlieren wollen.
Die israelischen Universitäten und Colleges haben aber noch ein zusätzliches Problem: Asher Cohen machte anschaulich deutlich, wie sehr sie sich, wie sehr sich insbesondere seine Universität bemüht, ihren Mitarbeiter(inne)n und Studierenden eine Insel der Normalität und der intellektuellen Arbeit in einem Meer von Krieg und Chaos zu bieten. Christoph Markschies, der sich seit seinen Studienzeiten oft an der HUJI aufhält, konnte aus seiner intimen Kenntnis einige Informationen über die Praxis dieser akademischen Fürsorge für die von vielfältigen Konflikten geplagten Lehrenden und Studierenden beisteuern.
Hervorgehoben wurde, dass die akademische Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Israel floriert und wächst, gefördert durch politische Institutionen. Mindestens ebenso deutlich wurde aber auch, wie wohltuend differenzierend diese Zusammenarbeit sich auf die politisch oft sehr festgefahrenen Positionen im Konflikt auswirkt. Cohen gelang es vorzüglich, die besonders schwierige Balance zwischen der Verantwortung, die seine Position als Rektor ihm auferlegt, und der Freiheit, der er als Person und Professor immer verpflichtet bleibt, zu halten. Er stand auch bei herausfordernden Fragen voll für seine Institution ein – und konnte zugleich die Freude vermitteln, die es Akademikern an einer freien Universität erlaubt, immer wieder ein Fenster mit einer anderen Perspektive auf die Gesellschaft, in der sie sich befindet und für die sie da ist, zu öffnen. Wiederum machte Markschies deutlich, wie wichtig auch in Deutschland die 1968 begonnene demokratische Reform für die Qualität von Forschung und Lehre selbst war und bleibt.
Im Publikum saßen neben vielen Interessierten aus der akademischen und politischen Öffentlichkeit nicht nur der Leiter der Abteilung Öffentlichkeitsarbeit der israelischen Botschaft, Rogel Rachman, mit seiner Frau, sondern auch in Berlin lebende Israelis, die sich für BDS engagieren. Erst am Ende der Veranstaltung traten sie mit teils falschen Darstellungen hervor, denen Professor Cohen entschieden entgegen trat. Kontroverse Diskussionen zwischen den BDS Vertretern und engagierten Freunden Israels wurden erst nach der Veranstaltung geführt – kontrovers aber gelassen. So hinterließ die Veranstaltung insgesamt den Eindruck differenzierter Auseinandersetzung auf hohem Niveau .
Für die Bereitschaft, ihre schönen Räumlichkeiten am Sonntagnachmittag für uns zu öffnen und die Vorbereitungen zu begleiten, danken wir dem Akademieleiter der Konrad-Adenauer-Stiftung Andreas Kleine-Kraneburg und Rita Schorpp- (Koordinatorin für stiftungsübergreifendes Projektmanagement und Besucherdienst) sehr herzlich, den Sprechern und Gästen für ihre lebhafte Beteiligung.