Gemeinsam mit der Friedrich Naumann-Stiftung für die Freiheit (FNSF) konnte die DIG Berlin und Potsdam Anfang März zwei junge Gäste aus Israel und den palästinensischen Gebieten präsentieren. Tamar Hay arbeitet als Projektmanagerin im Sport-Department des „Peres Center for Peace“ in Tel Aviv, Rasha Fityan als „Capacity Buiding Department Mangager“ beim Ta‘awon – Palestinian Conflict Resolution Institute in Ramallah.
Als besonders geeigneter Ort stellte sich die Landesvertretung des Saarlandes heraus, da das Bundesland, so der Leiter der Landesvertretung, Dr. Anton Markmiller, schon seit Jahren Jugendbegegnungen im Rahmen der Tayat Alaiyan-Stiftung für israelische, palästinensische und deutsche Jugendliche unterstützt, dessen Gründerin Dr. Halima Alaiyan er im Publikum begrüßte. Markmiller engagiert sich zudem ehrenamtlich für das Begegnungszentrum „Our House in Nazareth“, in dem Christen, Juden, Muslime und Drusen in Israel zusammen arbeiten und die Verständigung der unterschiedlichen ethnischen Gruppen gefördert wird.
Harald Klein, Bereichsleiter Internationale Politik der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit, hob in seiner Einführung hervor, dass die Stiftung – ähnlich wie die anderen politischen Stiftungen vor Ort – mit ihrer Projektarbeit in Israel und Palästina zivilgesellschaftliche Projekte fördere, die sich für gegenseitigen Respekt, Toleranz und gewaltfreie Auseinandersetzung einsetzten. Die FNF arbeitete seit Jahren sowohl mit dem Peres Center in Israel als auch mit Ta’awon in Ramallah erfolgreich zusammen.
Jochen Feilcke bedankte sich für die DIG Berlin und Potsdam bei der FNF für das freundliche Angebot zur Kooperation und bei den jungen Repräsentantinnen beider NGOs für ihr außergewöhnliches Engagement, das – wenn auch in kleinen Schritten – den Frieden in Nahost voranbringen könne. Mit Muriel Asseburg, Nahost-Expertin der Stiftung Wissenschaft und Politik, moderierte eine ausgewiesene Kennerin der Region die Runde. Sie freue sich, so Asseburg, mit den beiden heutigen Gästen einmal einen Blick über die Tagespolitik und Berichte über die scheinbare Unversöhnlichkeit der politischen Akteure in Nahost hinaus auf die Zivil-gesellschaft in Israel und Palästina werfen zu können.
Anhand zweier Power-Point-Präsentationen und mit Hilfe zweier Videos vermittelten Tamar und Rasha den rund 200 Gästen einen Einblick in ihre konkrete Arbeit. Sie machten deutlich, wo es anzusetzen gelte, wenn man den Frieden zwischen Israelis und Palästinensern voranbringen wolle: bei Kindern und Jugendlichen. Vor dieser Veranstaltung hatten Tamar Hay und Rasha Fityan bereits an einem Seminar der FNF zu einem ähnlichen Thema teilgenommen. In Hamburg waren sie vor einem ebenfalls überfüllten Saal bei einer Podiumsdiskussion aufgetreten.
Verständigung durch gemeinsame sportliche Aktivitäten
Tamar Hay berichtete über „Wege der Verständigung“ durch gemeinsame Sport-Aktivitäten, die das „Peres Center for Peace“ für benachteiligte israelische und palästinensische Kinder und Jugendliche bis 16 Jahre anbietet. Dass es in Palästina auch Kinder gebe, habe ihn gewundert, bemerkte der sechsjährige Dor aus dem fast täglich von Raketen der Hamas bedrohten südisraelischen Sderot bei einem Auswertungsinterview, so Tamar. Er habe gedacht, alle Araber sähen aus wie Osama bin Laden. Das Peres Center organisiert unter anderem gemeinsame Fußballtrainings und Turniere für palästinensische und israelische Kinder, um der verzerrten gegenseitigen Wahrnehmung entgegenzuwirken und dem Hass zwischen beiden Seiten den Nährboden zu entziehen. Wie für Dor sind diese gemeinsamen Sportaktivitäten für viele Kinder auf palästinensischer und israelischer Seite eine seltene Gelegenheit miteinander in direkten Kontakt zu kommen.
Dialogförderung durch Jugendaustausch
Doch nicht nur auf israelischer Seite stehen der Abbau der Feindbilder und das Bemühen, die andere Seite als Menschen wie Du und ich kennen zu lernen, im Mittelpunkt der Arbeit. Die palästinensische Nichtregierungsorganisation Ta´awon bringt Kinder und Jugendliche verschiedener Ethnien und Nationalitäten zusammen, um Dialog und gegenseitiges Verständnis zu fördern. In Konfliktmanagement-Trainings sollen Schüler und Studenten den konstruktiven und friedlichen Umgang mit Konfliktsituationen lernen, in Einzel- wie auch in Gruppensituationen. In einer Gesellschaft, in der das gewaltsame Austragen von Konflikten an der Tagesordnung ist – so Rasha Fityan – müssen junge Menschen erstmal lernen, dass es friedliche Wege der Konfliktaustragung und -bewältigung gibt. Dafür arbeite das erst seit fünf Jahren bestehende Institut.
Bei der anschließenden Diskussionsrunde interessierte vor allem, was die beiden jungen Menschen zu ihrem Engagement motiviert habe, welche Resonanz ihre Aktivitäten in der jeweiligen Mehrheitsgesellschaft fände und wie sich ihre Projekte finanzierten. Auch fragte ein Teilnehmer nach der Medienpräsenz dieser und ähnlicher Projekte für die Förderung des gegenseitigen Verständnisses. Ein Gast wollte auch wissen, wie sich die Jugendlichen später in ihrer Gesellschaft zu recht fänden, nachdem sie neue Sichtweisen gewonnen hätten. Dies dürfte für palästinensische Jugendliche schwieriger sein als für israelische, die gewohnt sind, in einer Demokratie alles sagen zu dürfen. Unfair schien den meisten im Publikum wohl die Frage an die beiden Gäste, ob sie es für möglich hielten, dass ihre politischen Führer ihnen folgten oder ob ihr Engagement nicht nur ein „Tropfen auf den heißen Stein“ ohne große Wirkung sei. Tamar Hay sah sich auch ungern in die Rolle israelischer Politiker gedrängt, als sie darauf angesprochen wurde, ob die israelische Siedlungspolitik nicht einer Friedenslösung in Nahost im Wege stünde.
Rasha berichtete, sie komme aus einer Familie, in der nicht zu Hass erzogen worden sei, doch habe sie sich durch ihr politisches Umfeld herausgefordert gefühlt, hier etwas zu verändern, denn Kinder würden nicht mit Feindbildern geboren. Sie wolle dabei mit helfen, eine freie, friedensbereite palästinensische Gesellschaft zu schaffen, die Jugend sei schließlich größte Hoffnung für die Zukunft. Sie möge ihre Arbeit, da sie die Veränderungen in den Augen der Kinder und Jugendlichen sehe, wenn sie im Rahmen von Jugensaustauschmaßnahmen bei gemeinsamen Aktivitäten zusammen träfen und einander kennen lernen könnten. Dabei zeige sich, dass sie ähnliche Wünsche und Sorgen wie sie selbst hätten. Auch bei den Essensgewohnheiten stelle man plötzlich Ähnlichkeiten fest. Am Ende der meisten Begegnungen stünde die Einsicht: „Together we will achieve more“.
Tamar fühlte sich durch ihre Großeltern, die in Bulgarien den Holocaust überlebt oder aus dem Irak nach Israel geflüchtet waren, dazu herausgefordert, sich für Toleranz und gegenseitige Verständigung einzusetzen. Diese hätten nach ihren Erfahrungen und der ständigen Bedrohung in der neuen Heimat Israel nur schwer wieder Vertrauen in ihre Nachbarn finden können. Tamar wie Rasha sehen sich als „grassroot-worker“, als „part of the progress“ auf dem Weg zu einer besseren Welt. Dabei hätten sie nicht „die hohe Politik“ im Blick, sondern wollten die Menschen verändern. Tatsächlich gehe es ihnen darum, „ihren Schützlingen“ grundsätzliche Werte mit auf den Weg zu geben und sie vielleicht dazu zu ermutigen, später selbst Verantwortung zu übernehmen. Der Erfolg ihrer Aktivitäten, ließe sich erst in der Zukunft ablesen, ihr Engagement sei aber davon nicht abhängig. Tamar berichtete, dass die Jugendlichen durch ihre Trainer oft mehr annähmen als von ihren Eltern. Rasha will jungen Palästinensern vermitteln, das man mit Gewalt keine Probleme lösen könne, stattdessen setze ihr Institut auf den religiösen, politischen und sozialen Dialog, um gemeinsam etwas aufbauen zu können.
Was die Finanzierung angeht, so sind offenbar beide Projekte auf Sponsoren aus Deutschland und dem Ausland angewiesen. Der Hauptsponsor des Peres Centers in den USA, so Tamar, habe sich nach der Finanzkrise zu seinem größten Bedauern zurück ziehen müssen. Kürzlich habe der DFB mit Lothar Matthäus in Tel Aviv eine große Benefizgala für das Center organisiert.
Die Resonanz in der Bevölkerung sei unterschiedlich, so Tamar und Rasha, in Israel sage man offen seine Meinung, in den palästinensischen Gebieten gebe es viel Kritik, aber auch heimliches Interesse und Fürsprache. Was die Berichterstattung in den Medien angehe, so wird leider nicht nur in den palästinensischen Gebieten, sondern auch in Israel nur wenig darüber berichtet, hier ist die Situation nicht anders als im Ausland, wo Gewalt und Terror mehr Quote versprächen, so Tamar.
Dabei gebe es wunderbare Geschichten, so z.B. die, dass ein Partnerschaftsprojekt zwischen Tulkarem und Sderot trotz zunehmenden Raketenbeschusses weiterliefe, Eltern ihre Kinder nach wie vor zu den Treffen schickten. Nachdem ein kleiner Junge in Sderot von einer Rakete der Hamas in Sderot getroffen worden war, hätten ihn seine Sportkameraden aus Tulkarem sogar am Krankenbett besucht. Ähnliches gelte für ein Begegnungsprogramm zwischen Jugendlichen aus Yerucham in Israel und Bethlehem in der Westbank. Am „International Peace Day“ hätten Jugendliche aus West- und Ostjerusalem im gleichen Trikot um den „Mini-World-Cup“ gekämpft. Einmal – so Tamar – sei das Peres Center fast mit einer Geschichte ins israelische Fernsehen kommen, doch dann habe man lieber über den Einschlag ´mehrerer Raketen aus dem Gazastreifen in Sderot berichtet. Angesprochen auf ihre Haltung zur israelischen Politik machte Tamar deutlich, dass sie sich Tzipi Livni an der Spitze des Staates gewünscht hätte, die sich klar für eine Zwei-Staaten-Lösung ausgesprochen habe. Doch wies sie zugleich darauf hin, dass der Rückzug aus dem Sinai nach dem Friedensvertrag mit Ägypten 1979, aus dem Libanon im Jahr 2000 und schließlich aus Gaza im Jahr 2005 mit der Auflösung von Siedlungen und Umsiedlung von 5000 Siedlern von „rechten“ Politikern in Israel durchgesetzt worden sei, nicht von der Linken. Angesichts des hohen Stellenwerts der Sicherheit in Israel könnten vielleicht nur diese auch die eigene Bevölkerung überzeugende Kompromisse machen.
Zum Abschluss des Abends luden Friedrich Naumann Stiftung für die Freiheit und Saarländische Landesvertretung Gäste und Publikum dazu ein, die Diskussion bei einem Glas Wein noch eine Weile fortzusetzen. Dafür haben wir auch an dieser Stelle nochmal herzlich zu danken.
Bericht und Fotos von Meggie Jahn
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Hier finden Sie einen Bericht über die Veranstaltungen der FNSF in Hamburg und Berlin.