Vor allem ein Kreis von Teilnehmern der Israel-Reise vom 15. bis 25. Mai 2008 war ins Centrum Judaicum gekommen, aber neben weiteren Interessierten auch einige derjenigen, die im Mai 2010 mit der DIG Berlin und Potsdam nach Israel aufbrechen wollen. „Eckhard“ wird vom 25. Mai bis 3. Juni wieder mit dabei sein – wie schön!
Meggie Jahn begrüßte den Referenten sehr herzlich und dankte ihm dafür, dass er mit seinem Reise-Tagebuch dazu beigetragen habe, „die Begegnungen mit beeindruckenden Menschen unwiderruflich für die Erinnerung bzw. ein größeres Publikum festzuhalten“. Kendler widmete seinen Vortrag dem Gedächnis eines wenige Zeit nach unserer Reise verstorbenen Gesprächspartners – Gad Ehrlich – sowie zwei unserer damaligen „Reisefährten“ – dem Filmemacher Alf Böhmert, der unsere Reise auch fotografisch festgehalten hatte, und Ulrike Unger, die auf Vermittlung von Maria Haendtke-Arndt mit ihrem Mann an der Reise teilgenommen hatte. Laut Maria hatte sie immer wieder von der Reise erzählt. Auch diesen Bericht möchte ich den drei Verstorbenen widmen. Der Referent wollte dies aber nicht als schlechtes Omen für die nächste Israel-Reise verstanden wissen.
Während Eckhard-Rainer Kendler einige Passagen aus seinem Tagebuch vortrug, illustrierte Meggie Jahn den Text mit ausgewählten Bildern. Dem Referenten ist zu danken für einen wunderbaren Abend, der das 2008 Erlebte für die damals Mitreisenden noch einmal ins Bewußtsein zu bringen vermochte und ganz sicher Lust auf die nächste Reise machte.
Das Reisetagebuch wird demnächst im Selbstverlag erscheinen und ist dann für den Preis von 15.00 Euro bei uns erhältlich. Im folgenden finden Sie einige der Auszüge, die vorgetragen wurden:
„Aus dem Vorwort:
Zeitnah zum 60. Jahrestag der Gründung des Staates Israel am 14. Mai 1948, den Tag, als David Ben Gurion, der erste Ministerpräsident, in Tel Aviv den Staat Israel ausrief, begaben sich Freunde und Mitglieder der Deutsch-Israelischen Gesellschaft (DIG), Arbeitsgruppe Berlin und Potsdam, zusammen mit der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit (GCJZ) auf eine zehntägige Reise nach Israel vom 15. – 25. Mai 2008.
Dem Verfasser dieses Tagesbuchs ging es wie vielen Reisegefährten: Lange hegte er den Wunsch, dieses Land zu bereisen und endlich Jerusalem mit eigenen Augen zu sehen, aber immer stand etwas zwischen ihm und diesem Land; der Zugang wollte sich nicht öffnen, der Schlüssel war nicht zu finden.
Sein Freund Kai-Alexander Moslé lud ihn zu Veranstaltungen der DIG ein, die sein Interesse an dem Land neu entfachten, so dass ich schließlich ohne Zögern Meggie Jahn, stellvertretende Vorsitzende der DIG, bat, an der Reise teilnehmen zu dürfen. Das dichte und intensive Programm mit Besuchen, Begegnungen, Wanderungen führte die Reisegesellschaft in Begleitung des unnachahmlichen Reiseführers Yaron Abramov von Tel-Aviv über Caesarea, Haifa und Akko an den See Genezareth, auf die Höhen des Golan hinab zum Toten Meer, in die Negev-Wüste nach Beersheva bis Mizpe-Ramon in den Krater Machtesh Ramon. Von dort reisten sie zum Höhepunkt der Reise nach Jerusalem. Die vielfältigen Aspekte der Reise strömten nur so auf alle ein: Das moderne Israel in der Swinging-City Tel-Aviv mit seinem High-Tech-Silicon-Wadi, über die Ausgrabungen in Caesarea und Bet Shean bis hin zu den Stätten des Heiligen Landes wie Bethlehem, Kapernaum und Nazareth; die Begegnungen im Westjordanland an der Al-Quds-Universität in Abu Dis im Schatten der Mauer, die zwischen israelischem und palästinensischem Gebiet verläuft, und endlich Jerusalem, der Stadt der Städte!
So vieles in so kurzer Zeit: dies zu bewahren schafft kein Arbeitsspeicher. Deshalb hat der Autor Reisetagebuch geführt für sich und seine Reisegefährten und für alle, die schon immer mal nach Israel reisen wollten. Der Autor würde sich freuen, wenn sein Reisetagebuch für manchen der Türöffner zu diesem Land sein könnte …
Gad Ehrlich
… Wir verlassen Akko, um in Haifa Gad Ehrlich in seiner Wohnung aufzusuchen. Alle 32 Reisegefährten finden Platz im Wohnzimmer im ersten Stock und werden mit kalten, erfrischenden Getränken und Gebäck bewirtet. Gad Ehrlich sitzt in seinem großen Sessel inmitten seiner Gäste und beginnt ohne viel Vorrede als Zeitzeuge zu berichten. In Gleiwitz geboren, entscheiden seine Eltern sich für Palästina und retten so ihr und sein Leben. Mit 15 Jahren kommt er 1937 in Haifa an und entscheidet sich für die Ausbildung in einem Handwerksberuf. Im Kibbuz wird er Schweizer und später, weil er – wie er drastisch formuliert – immer nach Scheiße stank, Kraftfahrer. Im Wüstenkrieg gegen das deutsche Afrikakorps unter Rommel brauchten die Engländer für den Nachschub von Bagdad nach Libyen Kraftfahrer. Die verheirateten Kibbuzniks wurden von ihren Frauen nicht freigegeben, also meldete sich der Junggeselle Gad Ehrlich 1942 freiwillig und diente als „british subject“ in englischer Uniform zunächst zwischen Bagdad und Libyen; später bei einer Transportkompanie in Oberägypten und zum Ende des Krieges kämpfte er in Oberitalien am Isonzo. Unter den gefangen genommenen deutschen Soldaten erkennt er in der Uniform eines Hauptmannes einen Klassenkameraden aus Gleiwitz: „Mensch, Gad“, sagte er, „wie sich das Rad doch gedreht hat!“ „Bloß gut“, entgegnet Gad Ehrlich, „dass es sich so rum gedreht hat!“ Seine „Karriere“ resümiert Gad Ehrlich mit 87 Jahren wie folgt: „Es fing mit Hermann Göring an und hörte mit ihm auf. Es fing an im Hermann-Göring-Gymnasium und hörte auf im Kampf gegen die Hermann-Göring-Division am Isonzo!“ Eine Reisegefährtin erzählt, dass sie diese Geschichte schon von ihrem Vater gehört habe, der als Soldat dort das Kriegsende erlebte und überlebte. Gad Ehrlich verschiedet uns mit der zweifellos ernst gemeinten Einladung, ihn jederzeit in Haifa in der Pinsker Straße 52 wieder zu besuchen: „Einen Kaffee oder eine Limonade kriegt jeder bei mir!“
Gad Ehrlich signiert sein Buch „Abrascha und Mr. Gowan“ (Conte Verlag, 2006 – ISBN (10) 3-936950-21-0) und ich verabschiede mich als Landsmann und Schlesier, dessen Vater wie sein Vater in Gleiwitz geboren ist. In seiner autobiographischen Abrascha-Erzählung schildert Gad Ehrlich die Entschlossenheit und den Mut der jüdischen Soldaten im Kampf gegen Hitlers Truppen 1942/43 in Nordafrika. Ihre Kampferfahrung war überlebenswichtig im ersten Unabhängigkeitskrieg und für die Zukunft Israels in Palästina. Er berichtet vom Wirken der Hagana und den Vorbereitungen der Karmelfestung 1942. Falls Hitlers Armeen bis nach Palästina gelangen sollten, plante die Hagana die gesamte jüdische Bevölkerung im Karmelgebirge in Sicherheit zu bringen und dieses Gebiet bis zum letzten Atemzug, wie seinerzeit die Feste Massada, zu verteidigen …
Imad Younis
… Hier in Nazareth denke ich eher an Aschenputtel angesichts der bescheidenen, grau geputzten Zweckgebäude. Imad Younis, Gründer und Geschäftsführer des Unternehmens, präsentiert seine Firma mit ihren Stärken, Problemen und Potentialen. Das Geschäftsfeld liegt, wie bereits der Firmenname verrät, auf dem Gebiet der High Tech-Biomedizinischen Ingenieurskunst. Das Start up waren Messgeräte für die Strommessungen, die das menschliche Hirn aussendet. Die Verfeinerung führte dazu, die Hirnströme nicht nur zu messen, sondern zu beeinflussen. Diese Technik wenden Hirnchirurgen an, um Parkinson-Patienten mittels Hirnsonden durch exakte Platzierung und Dosierung solcher Ministromstöße Erleichterung ihrer Bewegungsabläufe zu verschaffen und unkoordinierte Bewegungen zu unterdrücken. Der Präsentationsfilm zeigt eine Parkinson-Patientin vorher/nachher mit dem gewünschten Erfolg.
Solchen Einfluss möchte Imad Younis auch auf die Bewegungshemmungen im gesellschaftlich-politischen Umfeld zwischen Israelis, Juden, Christen, Palästinensern und Arabern durch sein Geschäftsmodell ausüben. Er beschäftigt Juden, Christen und Muslime, die – nach seinen Worten – mit ihm an einem Strang ziehen, um die Firma voran zu bringen, ihre Arbeitsplätze sichern und ihren Wohlstand mehren wollen. Da der Markt für sein Produkt vor allem in Ländern mit qualitativ hoch ausgeübter Medizinkunst liegt, war es notwendig, Tochterfirmen in den USA und in Europa zu gründen, darunter auch in Deutschland. „Ich bin palästinensisch-muslimisch-arabischer Israeli. Dem Gesetz nach habe ich die gleichen Rechte wie jeder andere Israeli. Aber in der Realität des Geschäftslebens sind manche gleicher als andere“, resümiert er auf die Frage nach Schwierigkeiten. Ein wohltuendes Beispiel angesichts der aktuellen Situation in Israel …
Arab Institute für Holocaust Research and Education
Nach diesem erhebenden Gefühl (in der Verkündigungskirche, d.V.) bringt uns der Bus auf die Anhöhe von Nazareth zum „Arab Institute for Holocaust Research and Education“, dessen Homepage folgende Adresse führt: www.alkaritha.org.
Rechtsanwalt Khaled Kasab Mahammed, ein Mann in den besten Jahren, hat in seinem Privathaus hoch über der Verkündigungskirche von Nazareth ein privates Holocaust-Museum eingerichtet, einzigartig in jeder Beziehung. Das einzige palästinensische Holocaust-Museum, das einzige arabischsprachige Holocaust-Museum und das einzige Holocaust-Museum, das sich an die Palästinenser in der Westbank direkt richtet. Der Herr Rechtsanwalt hatte eine ebenso einfache wie bestechende Idee: Nach seiner Auffassung basiert der gesamte Konflikt zwischen Israel und Palästina auf der Shoah. Für die jüdischen Einwanderer das Motiv zur Gründung des Staates Israel und spiegelbildlich für die Palästinenser für ihren Kampf gegen Israel um Land und Souveränität. Der Weg zueinander über ein gewaltfreies Nebeneinander könne erst gelingen, wenn die Palästinenser den Holocaust als Fakt zur Kenntnis nehmen, das Leid des jüdischen Volkes verstehen lernen und Israel die aus Sicht der Palästinenser durch die Staatsgründung verursachte Katastrophe Nakba = Vertreibung aus ihrem angestammten Land Palästina akzeptieren. Er hat sich daher die Lebensaufgabe gestellt, seine Landsleute mit dem Holocaust vertraut zu machen, hat Bilder aus der Gedenkstätte Yad Vashem erworben und in den Räumen seines Hauses eine Holocaust-Ausstellung eröffnet. In Vorträgen berichtet er über den Holocaust vor seinen Landsleuten, wenn sie denn zuhören wollen.
Die Widerstände sind immens: Seine Familie hat mit ihm gebrochen, sein Vater spricht seit Jahren nicht mit ihm, Brüder haben ihn aufgefordert, den Familiennamen niederzulegen, engste Freunde haben ihn verlassen. In Vorträgen wird er beschimpft und angefeindet, aber wenn es ihm gelingt, ein Gespräch über den Holocaust zu führen, könne er in zwei Minuten seinen Gesprächspartner von der Realität des Holocaust überzeugen. Die Bibel kennt den „einsamen Rufer in der Wüste“. Hier ist wieder einer mitten in Nazareth. Man ist geneigt, an ein neues Wunder zu glauben. Sein Mut und seine gelassene Gewissheit, die richtige Idee für den Weg zum Frieden in die Tat umzusetzen, lassen es möglich erscheinen.
Vielleicht ein Ansatzpunkt für den Deutschen Entwicklungsdienst mit seinem Engagement in Palästina? Dort arbeiten zurzeit 15 Friedensfachkräfte im Zivilen Friedensdienst.
Rechtsanwalt Khaled Kasab Mahammed gibt uns die von ihm auf eigene Kosten herausgegebene Dokumentation über den Holocaust in der Hoffnung auf Unterstützung, schließlich sei dies weltweit die erste und einzige Schrift über den Holocaust in arabischer Sprache. Ein Tag mit viel Gesprächsstoff für die Abendrunde im Ohalo-Ressort im Kibbuz Kinneret mit Blick auf den nächtlichen See Genezareth, dessen Grenzen die Lichter der an seinen Ufern markieren …
Stef Werthheimer
Heute nimmt sich einer der reichsten Männer Israels, Stef Wertheimer, Zeit für uns. Geboren 1927 in Deutschland, wandert er mit 10 Jahren nach Israel ein. „Ich wurde nicht gefragt. Das haben meine Eltern für mich so entschieden.“ Mit 16 verlässt er die Schule und arbeitet in einem Fotoladen. Im Zweiten Weltkrieg dient er in der britischen Royal Air Force (RAF), wird Pilot, konstruiert Kanonen für die Hagana und kämpft für die Unabhängigkeit in der Yiftah-Brigade.
Weil er keine Ingenieursausbildung vorweisen kann, verliert er seinen ersten Job nach dem Krieg und macht sich selbständig mit einer kleinen Werkzeugmacherei, dem Grundstein seines heutigen erfolgreichen ISCAR-Unternehmens, spezialisiert auf die Herstellung von Flugzeugmotoren.
Dies ist sein Geschäftsprinzip: einfache, umsetzbare Verfahren, die Umsatz und Erfolg bringen. Im High-Tech-Land Israel zeigt er, dass man mit Metallverarbeitung noch richtig gutes Geld verdienen kann. Zu seinen Kunden zählen Rolls Royce, General Electric und Pratt & Whitney.
Er gehörte der 9. Knesseth, dem israelischen Parlament, an. „Also dort wurde zuviel geredet und zu wenig gearbeitet.“
Der zweite Grundsatz seiner Unternehmensphilosophie: „Bei mir kann jeder arbeiten, wenn er arbeiten und nicht reden will!“
2006 verkaufte er 80 % von ISCAR an Warren Buffet und kapitalisierte 4 Mrd. US Dollar. In der Hitliste der Reichen dieser Welt rangiert er an 188. Stelle. Nichts davon merkt man ihm an, als er sich und sein Unternehmen im Tefen-Industriepark präsentiert. Er strahlt eine Wärme und Freundlichkeit, gepaart mit Humor und Schalk, auf seine Zuhörer aus und findet auf jede Frage eine überzeugende Antwort.
Das Tefen-Modell
Im Einzelnen äußerte sich Wertheimer wie folgt: „In Galilea leben 10 Mio. Menschen, je zur Hälfte Araber und Juden. Sie haben keine Zeit zu streiten, da sie gute Arbeit haben. In Krisengebieten muss man Inseln der Hoffnung gründen, das schafft Frieden und Wohlstand durch Arbeit, Bildung und Entwicklung der Infrastruktur. Die arabischen Kinder sind genauso gut, erhalten dieselbe Bildung und später das gleiche Gehalt.
Leider gibt es keine Beteiligung deutscher Firmen. Das ist historisch bedingt und kein böser Wille: Wir wissen nicht, wie wir mit Euch umgehen sollen, und Ihr wisst nicht, wie Ihr mit uns umgehen sollt.
Einen Betriebsrat gibt es nicht. Vor 30 Jahren habe ich gesagt, ich oder der Betriebsrat. Also, ich habe mich verpflichtet, keine schlechteren Bedingungen zu setzen als der Betriebsrat.
Einen Betrieb habe ich gegründet, der heißt Metallikon. Auf der Tür steht: ‚Hier wird nichts erfunden, nur produziert. ‘ Und wir exportieren nur an die Schweiz und nach Deutschland.
Ich habe drei Firmen gegründet: ISCAR, Metallikon und eine Turbinenproduk¬tion. Daneben gibt es 200 Start up-Firmen. Sie sollen nicht länger als fünf, höchstens 10 Jahre im Industriepark bleiben. Hier sind noch viele Hügel frei. Ich betrachte den Industriepark als Inkubator.
Den letzten Hügel haben wir vor 3 Jahren begonnen, die arabischen Leute zwei Jahre ausgebildet und dann zurückgeschickt. Die Leute streiken nicht, sie haben keine Zeit dafür. Wir arbeiten mit Universitäten in Israel, USA und mit der Berufsakademie in Baden-Württemberg zusammen.
In Gaza haben wir festgestellt, dass die Leute gutes Olivenöl produzieren. Wir bilden die Leute in praktischen Fähigkeiten aus, nicht im Management. Das sind die Leute, die die meisten Fehler machen und miteinander streiten. Unser Programm „Peace for oil“ bringt die Israelis und Araber dazu, ihr Öl zu mischen und gemeinsam zu verkaufen, da es dann die nötige Qualität hat. Jetzt beschäftigt die Firma 40 Leute und mehr. Sie produzieren Seife für Kosmetik und erhalten jetzt den doppelten Preis.
Im Negev plane ich eine Sonnen-Energie-Sache. Die Leute aus Freiburg haben mich angeschrieben, aber ich krieg‘ das nicht zusammen. Ich könnte die Platten in Brandenburg kaufen. Man muss die Sachen in Stufen angehen, möglichst einfach, dann klappt das.
Bei uns folgen die Kinder den Eltern in die Produktion nach. Bei uns kann jeder anfangen, der arbeiten und nicht viel reden will.
Wir möchten so wenig Regierung sehen wie möglich. Die Leute müssen zahlen, wenn sie mit einer Start-up-Firma in den Industriepark rein wollen. Der, den wir haben wollen, soll erst zahlen, wenn er kann. Ich will sehen, dass es unseren Nachbarn genauso gut geht wie uns, dann herrscht Frieden. Dafür bin ich zu Investitionen bereit.
Die Arbeiter sind die wichtigsten Teile des Betriebes. Arbeiten sollen sie am Tage, beten können sie abends. Wer sich daran nicht hält, kommt nicht in den Betrieb. In Israel wird Freitag und Samstag nicht gearbeitet, deshalb gibt es keinen religiösen Konflikt. Unseren Pensionären geht es gut. Wir arbeiten 8 Stunden. Unsere Behinderten arbeiten besser als die anderen.
Auf die Frage, 0b und wie ich in Israel geschätzt werde, kann ich nur sagen, die wissen nicht, was sie mit mir machen sollen.“
The Open Museum
Ein Spaziergang über das weitläufige parkartige Gelände des Tefen Industrial Park erinnert mehr an eine moderne Kunstausstellung im Freien als an eine industrielle Produktionsstätte. Der Besucher flaniert durch einen Skulpturen-Garten. Die Plastiken, Stelen, die in Stein gemeißelten oder in Bronze gegossenen Kunstwerke passen sich wie selbstverständlich in die grüne und blühende Parklandschaft ein. Auf einem natürlichen Steinplateau begegnen sich Figuren nackter Menschen, unter die sich unsere Besuchergruppe mischt. Auf meinen Bildern erscheint die Integration von Lebenden und Kunstfiguren vollkommen. Kaum reicht die Zeit, auch noch die Kunstgalerie, das Industrie-Museum und die Old – Timer-Sammlung von Stef Wertheimer zu bewundern.
Jeckes-Museum
Besonderes Interesse findet das Jeckes – Museum, das die Geschichte der deutschsprachigen jüdischen Immigranten widerspiegelt. Eine Wanderausstellung darüber wird im Sommer in Berlin zu besichtigen sein, um über die Geschichte des mitteleuropäischen Judentums in Deutschland, Österreich und der Tschechei bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkrieges zu berichten. Der Beitrag der Jeckes bei der Gründung und dem Aufbau des Staates Israel vor 60 Jahren wird eindrücklich dokumentiert. Welche Leichtigkeit in den Radierungen von Hermann Struck (1876 – 1944) mit Motiven aus Berlin, Brandenburg und Israel.
….
Gabriel Bach
Am Abend steigen wir zusammen mit Gästen in den Bus und Chader biegt auf halbem Weg nach Tel Aviv in eine kleine Seitenstraße, die auf einen Hügel führt … Auf dem Gipfel erwartet uns der Winzer an einem langen, für 40 Gäste gedeckten Tisch unter einer Weinlaube. Die Sonne will gerade untergehen und schickt ihre letzten warmroten Strahlen zu uns, während die Vögel ihr Abendlied anstimmen. Der Winzer begrüßt und erzählt uns die Geschichte seines Weinberges in biblischer Gegend, lässt uns seinen Wein probieren, den er komplett lokal vermarktet. Welche Abendstimmung, welcher Gaumengenuss, zu dem auch noch mediterranes Essen gereicht wird. Die „Winzerei Hans Sternbach“ in Givat Yeshayahu bereitet uns das, was man einen unvergesslichen Abend nennt.
Kai stellt mich dem Ehepaar Ruth und Gabriel Bach vor, ein in jeder Hinsicht außergewöhnliches Paar. „Gabriel Bach, Justice (Retired),
Supreme Court of Israel“, vermeldet seine Visitenkarte. 1927 in Halberstadt geboren, wächst er als Sohn des Generaldirektors der „Hirsch Kupfer- und Messingwerke“ in Berlin in der Konstanzer Straße auf und besucht die Theodor-Herzl-Schule am Kaiserdamm 78. 1938 emigriert die Familie Bach nach Amsterdam und einen Monat vor dem Einmarsch deutscher Truppen 1940 weiter nach Palästina. 1949 wird er als Jurist am University College London examiniert und mit 37 Jahren stellvertretender Ankläger im Eichmann-Prozess, später Richter am Obersten Gerichtshof in Israel bis zu seiner Pensionierung 1997. Ein fesselndes Gespräch über seine Erinnerungen an den Eichmann-Prozess, der ihn nie wieder losließ. Am Vorabend seines ersten Zusammentreffens mit dem Angeklagten Eichmann liest der junge Staatsanwalt Gabriel Bach Dokumente über eine Weisung Eichmanns, zuerst alle Kinder umzubringen, damit es später keine Zeugen und besonders „Rächer“ geben kann. „Sie können sich vorstellen, dass es mir nicht leicht fiel, Distanz zu wahren gegenüber Eichmann, der sich bei mir über seine Haftbedingungen beschweren wollte.“
Seltsam, dass Massenmörder so sehr um ihr eigenes Wohl besorgt sind. Zu Beginn des Prozesses gegen die Angeklagten des Autogenozides in Phnom Penh, Kambodscha verhandelte das Internationale Tribunal am 20.11.2007 als erstes eine Haftbeschwerde von Kang Kev Var, genannt Duch, dem Kommandanten der Folterstätte Tuol Sleng (siehe auch mein demnächst erscheinendes Buch „Eine Welt-Reise“). Bachs bezaubernde Frau Ruth gesteht, dass ihr eigentlich ein prominenter Mann in ihrem Leben gereicht hätte. „Aber wissen Sie, es
war schon der zweite berühmte Mann in meinem Leben. Der erste war mein Vater, den kennen Sie aus dem Buch „Exodus“ von Leon Uris, und dem gleichnamigen Hollywood-Film. Paul Newman hat ihn gespielt, den Kommandanten des Schiffes „Exodus“, mit dem ein Jahr vor der Staatsgründung Juden nach Palästina gebracht werden sollten. Er ist am 26. April 2008 im Alter von 90 Jahren gestorben.“
Ruth Bach erzählt von ihrem Vater Jossi Harel und von ihrer Liebe und Verehrung, die sie für ihn empfand. „Viel Zeit hat er nicht für
mich gehabt. Er war ja später für den Mossad im Ausland aktiv und „Exodus“ hat öfters seine Aufträge von Ben Gurion direkt erhalten. Aber die wenigen Wochenenden, die wir zusammen verbringen durften, waren wunderbar. Na ja, und er sah ja wirklich so gut wie Paul Newman aus. Also, meine Mutter hat es nicht leicht gehabt.“
Schade, dass der Abend schon wieder ausklingt, es gäbe noch soviel zu erzählen und zu fragen zu Jossi Harel. Über 4500 Juden wollte er nach Palästina bringen, doch die Briten schickten die Überlebenden des Holocaust zurück nach Europa. Die britische Mandatsmacht wollte es sich nicht mit den Arabern verderben. Die Passagiere der Exodus wurden ausgerechnet in deutsche Flüchtlingslager gebracht, bis sie nach lautem Protest über Frankreich und England größtenteils doch nach Palästina gelangten. Jossi Harel hat vier jüdische Flüchtlingsschiffe kommandiert und insgesamt 25.000 Immigranten nach Palästina verholfen.
Buch und Film stehen ab sofort auf meiner Hitliste: Wieder lesen, wieder anschauen – mit dem persönlichen Erlebnis keine Frage!
Ruth Bach wusste von langen Gesprächen zwischen Leon Uris mit ihrem Vater zu berichten, der die Geschichte der „Exodus“ mit dem Unabhängigkeitskampf Israels und der Rolle verwob, die die Hagana, die Vorläuferin des Mossad und der israelischen Armee, dabei spielte…“
So weit die Auszüge aus einem rundum lesens- bzw. zuhörenswerten Reisetagebuch, aus dem diesem außergewöhnlichen Abend vorgetragen wurden. Wir danken dem Autor für die Möglichkeit, diese hier zu publizieren.
Einige Daten zum Autor:
Eckhard-Rainer Kendler, geb. 1944 in Niesky/Oberlausitz, besuchte das Collegium Josephinum und das St. Michael-Gymnasium in Bad Münstereifel. Nach Abitur und Bundeswehr, zuletzt als Leutnant d. R., studierte er Jura und Politologie an der Freien Universität Berlin. Nach wissenschaftlicher und administrativer Tätigkeit an der FU wechselte er 1992 zum Deutschen Entwicklungsdienst (DED), arbeitete dort als Prokurist in der Verwaltung und als stellv. Geschäftsführer. Seit Herbst 2000 leitete er den Fachbereich II (u.a. Außen-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik) des Wissenschaftlichen Dienstes im Deutschen Bundestag. Nach dem 11. September 2001 war er als Leiter des Polizei- und Sicherheitsdienstes für den Schutz des Deutschen Bundestages verantwortlich. Zuletzt als Landesdirektor des DED in Ghana tätig, lebt er heute als Pensionär in Berlin, wenn er nicht irgendwo in der Welt neue Länder bereist. Auf seiner jüngst eingerichteten Internetseite finden Sie mehr zu diesen Aktivitäten: http://www.e-kendler.de
Bericht und Zusammenstellung der Auszüge von Meggie Jahn