Im Rahmen des diesjährigen Abschlussabends in der Jerusalemgemeinde in Berlin/Kreuzberg – inzwischen Sitz des Umweltforums – konnte Jochen Feilcke, Vorsitzender der DIG Berlin und Potsdam, mit dem langjährigen 1.Geiger der Berliner Philharmoniker, Hellmut Stern, einen ganz besonderen Gast präsentieren. Auf Grund seiner Biografie verstand sich Hellmut Stern nie nur als Musiker, sondern immer auch als politisch bewusster Zeitgenosse, der sogar das Gespräch mit rechtsextremen Jugendlichen nicht scheute. Seit seinem Ausscheiden aus dem Orchester 1994 widmet er sich leidenschaftlich der politischen Aufklärungsarbeit. Stern ist bereits mehrere Jahrzehnte Mitglied der DIG.
Im Rahmen des diesjährigen Abschlussabends in der Jerusalemgemeinde in Berlin/Kreuzberg – inzwischen Sitz des Umweltforums – konnte Jochen Feilcke, Vorsitzender der DIG Berlin und Potsdam, mit dem langjährigen 1.Geiger der Berliner Philharmoniker, Hellmut Stern, einen ganz besonderen Gast präsentieren. Auf Grund seiner Biografie verstand sich Hellmut Stern nie nur als Musiker, sondern immer auch als politisch bewusster Zeitgenosse, der sogar das Gespräch mit rechtsextremen Jugendlichen nicht scheute. Seit seinem Ausscheiden aus dem Orchester 1994 widmet er sich leidenschaftlich der politischen Aufklärungsarbeit. Stern ist bereits mehrere Jahrzehnte Mitglied der DIG.
Michael Jenne bei seiner Einführung. Mehr …
Ihm zu Ehren waren auch Freunde aus alten Zeiten seiner persönlichen Einladung gefolgt. Mit David Dambitsch konnten wir zudem d e n Mann in unseren Reihen begrüßen, der erst vor wenigen Tagen mit ihm gemeinsam in der Berliner Philharmonie in Anwesenheit der Intendantin das Hörbuch „Weil ich überall auf der Welt zu Hause bin“ vorgestellt hatte, in dem sich auch sein Freund Daniel Barenboim zu ihm äußert. Es fand an diesem Abend in der Jerusalem-Gemeinde reißenden Absatz.
Als Moderator stellte sich erfreulicherweise unser langjähriges Mitglied Dr. Michael Jenne zur Verfügung, der früher u.a. beim Landesmusikrat Berlin für die Nachwuchsförderung zuständig war und Hellmut Stern seit vielen Jahren kennt und schätzt. Für das Angebot sei ihm auch an dieser Stelle noch mal herzlich gedankt.
Hellmut Stern bedankte sich zu Anfang seiner Ausführungen sehr für die Einladung und machte deutlich, dass er zwar zu denjenigen gehöre, die nicht mit allem einverstanden seien, was heute in Israel passiere, doch wisse er, dass er mit allen hier Versammelten den Wunsch teile, dass das kleine Land in Nahen Osten endlich in Frieden und ohne Bedrohung leben könne. In einer zweiten Vorbemerkung griff er das Wort von Jenne auf, angesichts seiner Vita habe es „kaum dicker kommen können“. „Doch“, so Stern, angesichts der Tatsache, dass die Mehrheit seiner jüdischen Zeitgenossen in der Nazizeit ermordet wurden, hätte es eben doch noch „viel dicker“ für ihn kommen können und er sei dankbar, dass er überlebt habe.
Während Stern dann aus dem Kapitel „Ein langer Weg nach Israel“ seines 2002 in dritter Auflage erschienenen Buches „Saitensprünge – Erinnerungen eines leidenschaftlichen Kosmopoliten“ vortrug, unterbrach er die Lesung immer wieder durch Kommentare und kleine Anekdoten. So wurde das Publikum auf höchst unterhaltsame Weise Zeuge eines langen und beschwerlichen Weges hin zur Umsetzung seines Traums einer Orchesterreise der Berliner Philharmoniker nach Israel, den Stern seit seinem Antritt im Orchester geträumt hatte.
Der Traum scheiterte zunächst und vor allem an der Person Herbert von Karajans. Auch wenn dieser selbst gerne nach Israel gereist wäre, so galt er auf Grund seiner Mitgliedschaft in der NSdAP dort doch als „unerwünschte Person“. Stern selbst gab zu, damals sehr blauäugig mit dessen Vergangenheit umgegangen zu sein, zumal ihm ein jüdischer Kollege, den Karajan als Finanzberater (sic!) eingestellt hatte, versicherte, er würde doch nicht für ihn arbeiten, wenn für ihn Zweifel an dessen Integrität bestünden. Wie viele andere Deutsche seiner Generation hatte auch Karajan zur Zeit des Sechs-Tage-Krieges große Begeisterung für Israel gezeigt. Daran erinnere er sich noch gut, so Stern.
Der damalige Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen hatte sich später vorgenommen, auf seiner Israelreise die Berliner Philharmoniker als Gastgeschenk zu präsentieren, was er auf Grund der Sensibilität des Themas aber nicht sofort mit dem Intendanten, sondern zunächst mit Hellmut Stern besprochen hatte, der dann auch im Geheimen verhandelte. Als die Sache raus kam, sei der Plan zu seinem größten Bedauern wieder geplatzt.
Der Abschied Herbert von Karajans und der Regierungsantritt von Walter Momper (SPD) Anfang 1989 habe dann die lange erhoffte Wende gebracht. Nach seinem Regierungsantritt hatte Momper die Reise der Berliner Philharmonie nach Israel sogar in den Koalitionsverhandlungen mit der Alternativen Liste (Die Grünen) festgeschrieben, was er Stern sogleich mit Stolz verkündet hatte. Im April 1990 schließlich flog das Orchester unter Leitung von Daniel Barenboim nach Israel. Neben einzelnen Konzerten in verschiedenen Städten mit Barenboim war der gemeinsame Auftritt mit dem Israel Philharmonic Orchestra in Tel Aviv unter Leitung von Zubin Mehta sicher der „eindeutige Höhepunkt“, so Stern. Das Konzert sei nicht nur ihm selbst und Walter Momper, der das Orchester begleitete, sondern auch allen Musikern noch lange im Gedächtnis geblieben, zumal es mit der israelischen Nationalhymne Hatikva beendet wurde, so Stern.
Diskussion:
„Bei den Probespielen in Israel gab es immer Wagner und Strauss.“
Bei der anschließenden Diskussion interessierte das Publikum nicht nur für die laut Hellmut Stern „ungerechtfertigten Vorwürfe“ gegen Barenboim, der als erster in Israel öffentlich Wagner gespielt hatte, sondern auch die Frage nach weiteren Israel-Tourneen, die später nicht mehr zustande kamen. Stern verwies darauf, dass es bereits kurz nach dem Holocaust beim Israel Philharmonic Orchestra bei Probespielen zur Aufnahme in das Orchester üblich gewesen sei, Partien aus Werken von Strauss und Wagner zu verlangen und zu spielen, auch wenn dies offiziell unerwünscht war. Viele Israelis, gerade die sog. Jeckes – hätten sich dazu dort eingefunden. Für Stern ist Wagner „zugleich ein Genie und ein Schwein“, seine Musik aber gehöre bis heute zur besten weltweit. In dem Zusammenhang unterstrich Stern auch, für ihn sei „gute Musik“ wertfrei zu beurteilen, dies gelte auch für die Melodie des Horst-Wessel-Liedes. Schlecht werde Musik erst durch diskriminierende und hasserfüllte Texte.
Dass die Berliner Philharmoniker nach einer zweiten Tournee im Jahre 1993 nicht mehr nach Israel gefahren seien, führte Stern vor allem darauf zurück, dass sie zahlreiche lukrative Angebote aus anderen Ländern bekommen hätten; zudem sei er selbst bald darauf pensioniert und als treibende Kraft im Orchesterbetrieb nicht mehr präsent gewesen. Die erste Orchesterreise nach China, bei der es beim Ausstieg am Flughafen durch die fehlende Befestigung der Gangway zu zwei schwerverletzten Musikern kam, sei für ihn ein besonderes Erlebnis gewesen, da er nach dem Exil mit seinen Eltern in Harbin zum ersten Mal wieder chinesischen Boden betreten hatte.
Im Anschluss an Vortrag und Diskussion versammelten sich die Gäste bei z.T. selbst gebackenen Plätzchen und Kuchen sowie Kaffee, kalten Getränken und Wein um adventlich geschmückte Tische und vertieften das gerade Gehörte in lebhaften Gesprächen. Wir bedanken uns bei all denjenigen, die mit ihrer Gabe oder einer kleinen Spende zum Gelingen des Abends beigetragen haben.