Auch arabische Medien haben von Beginn an berichtet. Hier wird er zum Opfer einer vermeintlich mächtigen jüdisch-zionistischen Lobby stilisiert.
Über den medialen Aufschrei, zu dem die Veröffentlichung von Günter Grass’ Gedicht „Was gesagt werden muss“ geführt hat, haben auch arabische Medien von Beginn an berichtet. Dabei griffen sie meist auf westliche Agenturberichte zurück oder ließen ihre Reporter in Deutschland die Debatte aus deutscher Sicht zusammenfassen.
Gegenstand von Kommentaren arabischer Journalisten ist die Aufregung um Grass’ Einlassung trotz des relativ großen Interesses in der arabischen Welt indessen nur vereinzelt gewesen. Erklären ließe sich dies damit, dass Israel-Kritik aus arabischer Sicht etwas Selbstverständliches und deshalb auch nicht eines Kommentars würdig ist.
Aufruf zur Unterstützung von Günter Grass
Wo jedoch Feindschaft gegenüber Israel längst zur Staatsdoktrin gehört, wie etwa in den Vereinigten Arabischen Emiraten, da wird schon mal die Angst vor der Atommacht des Nachbarn Iran zugunsten einer Parteinahme für den deutschen Israel-Kritiker verdrängt. So beklagt Khalil Qandil in der Zeitung „Al-Imarat Al-Youm“ den deskriptiven Charakter der arabischen Berichterstattung zur Causa Grass. Der Autor nutzt die Gelegenheit, um den deutschen Literaturnobelpreisträger zum Opfer jener vermeintlich mächtigen jüdischen Lobbys zu stilisieren, die die Besatzungspolitik des „zionistischen Staatswesens“ im Westen salonfähig machten. Es sei auch keineswegs das erste Mal, dass sie Grass mit ihrer Allzweckwaffe, dem Vorwurf des Antisemitismus, attackierten – dies sei schon der Fall gewesen, als er sich zu seiner einstigen Zugehörigkeit zur Waffen-SS bekannte. Qandil appelliert an Meinungsführer in der arabischen wie islamischen Welt, den Autor der „Blechtrommel“ bei seiner Warnung vor dem unkontrollierten israelischen „Kernwaffenarsenal“ zu unterstützen.
Ähnliches fordert auch Qandils Landsmann und Kollege Yussef Abu Luz in dem Blatt „Al-Khaleej“. In Bezug auf die einflussreichen Gegner des deutschen Literaten bedient sich Luz eines unter arabischen Israel-Hassern geläufigen antisemitischen Klischees: Es ist jene jüdisch-zionistische Riesenspinne, die die Welt in ihrem Netz gefangen hält. Iran hat bekanntlich in der arabischen Welt auch Verbündete wie Syrien oder die schiitisch-libanesische Hizbullah. Auch deren Sender berichtete selbstverständlich über den „Angriff“ gegen den Nobelpreisträger, der nur deshalb erfolgt sei, weil er Iran verteidige. Iskandar Habasch, Gesinnungsgenosse und Kommentator der iranfreundlichen libanesischen Tageszeitung „Al-Safir“, versteht das Gedicht von Grass als Aufforderung, „keine Angst mehr vor der Rhetorik des iranischen Präsidenten zu haben, dafür aber vor den Taten Israels“. Und er freut sich darüber, dass ein so kurzes Gedicht so viel in der Öffentlichkeit bewirkt habe, selbst wenn es in literarischer Hinsicht fade sei: „Ein Lob auf alle derartigen faden Dichtungen!“
Befreiung vom Schuldkomplex?
Unterstützung erhält Grass interessanterweise auch aus Jordanien. In dem regimenahen Blatt „Al-Doustour“ spielt die Atom-Thematik nur am Rande eine Rolle. Vielmehr bewertet Kommentator Fakhri Saleh das umstrittene Werk als eine in anderer Hinsicht willkommene historische Zäsur: Hier verlange zum ersten Mal ein deutscher Schriftsteller von seinen Landsleuten unmissverständlich, sich von ihrem Schuldkomplex gegenüber Israel zu befreien. Dabei sieht Saleh Grass seine wiederholt „inkonsequente“ Israel-Kritik nur deshalb nach, weil er schon immer Partei für die Palästinenser ergriffen habe.
Den Originalartikel von Joseph Croitoru vom 9.04.2012