Kooperationsveranstaltung mit der Konrad-Adenauer-Stiftung Berlin
Mit viel Sympathie, aber auch Bangen verfolgen wir die politischen Entwicklungen in Nahost. In Tunesien, Ägypten, Jordanien, Algerien, Bahrein gingen und gehen vor allem junge Leute auf die Straße, rebellieren gegen ihre autokratischen Machthaber, fordern Freiheit und Demokratie.
Trotz aller Hoffnung auf Demokratisierung weiß niemand, in welche Richtung sich die Protestbewegungen am Ende entwickeln werden und ob sich nicht politische Kräfte durchsetzen, die nicht nur die Existenz Israels bedrohen, sondern die gesamte Stabilität im Nahen Osten gefährden könnten.
Die USA und die EU befinden sich in einem Dilemma, haben sie doch auf Grund eigener Interessen, aber auch wegen dieser Stabilität jahrelang mit den arabischen Potentaten kooperiert. Ägypten und Jordanien haben als einzige Nachbarn Friedensverträge mit Israel. Auch andere arabische Staaten gelten wegen ihrer Haltung zu Israel als „gemäßigt“ und mögliche Friedenspartner. Zugleich mahnen wir seit Jahren demokratische Entwicklungen in der Region an, u.a. wird die Zivilgesellschaft durch die politischen Stiftungen vor Ort – sofern machbar – in dieser Richtung unterstützt.
Droht die zögerliche Haltung des „Westens“ als fehlende Unterstützung mißinterpretiert zu werden, die am Ende Antiamerikanismus und Antizionismus bestärkt oder werden sich diese nach jahrzehntelanger Propaganda in der arabischen Welt wieder Bahn brechen? Selbst Mubarak ließ in ägyptischen Schulbüchern weiter Hass gegen Israel verbreiten, um von der miserablen Innenpolitik abzulenken. Wie können wir dazu beitragen, dass die eigentlich erfreulichen Entwicklungen nicht zu Lasten Israels gehen?
All diesen Fragen ging der israelische Journalist Eldad Beck im Rahmen einer gemeinsamen Veranstaltung von Konrad-Adenauer-Stiftung und DIG Berlin und Potsdam nach. Er hatte die Massenproteste in Tunesien und Ägyptenhautnah miterlebt und anschließend auch Israel besucht. Während seines Vortrags zeigte er eigene Bilder von den Protesten.
Sein Fazit: „Hoffnung, Hoffnung, Hoffnung“ angesichts des Aufbruchs in der arabischen Welt. Dieser zeige, dass die Menschen genug von ihrem jahrzehntelangen „Opferstatus“ hätten und mit ihrer Forderung nach Freiheit, Demokratie und Wohlstand nunmehr ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen wollten. Die Menschen in Nahost verlangten zu Recht nach Respekt. Beeindruckt zeigte sich Beck davon, dass einer der Demonstranten auf dem Tahrir-Platz dafür warb, den Platz sauber zu halten (s. Bild), damit dem westlichen Vorurteil eines „unzivilisierten Volkes“ kein Vorschub geleistet werde.
Eldad Beck mahnte die Zuhörerschaft aber auch, drohende Gefahren nicht zu unterschätzen. Islamistische Kräfte warteten nur darauf, diesen revolutionären Umbruch für ihre Zwecke zu nutzen. Der Iran habe bereits versucht, die Unruhen als Zustimmung für die islamische Revolution umzudeuten. Jetzt heiße es, so Beck, die demokratischen Kräfte zu unterstützen und zugleich vor einer Machtübernahme durch den politischen Islam auf der Hut zu sein.
Prognosen für die Zukunft wollte Beck nicht abgeben. Antisemitismus und Antizionismus seien in den arabischen Ländern nicht von heute auf morgen aus den Köpfen zu verbannen. Dass Mubarak von Teilen der Demonstranten als „jüdischer Agent“ angeprangert wurde, bezeichnete Beck als „abstrus“, hatte doch selbst die Regierung Mubarak trotz des „Kalten Friedens“ mit Israel nie davor zurück geschreckt, weiter gegen Israel zu hetzen.
An der anschließenden Gesprächsrunde nahmen neben Jochen Feilcke als Vorsitzender der DIG Berlin und Potsdam auch der Büroleiter der KAS in Kairo, Dr. Andreas Jakobs, und Dr. Martin Beck, Büroleiter in Amman, teil. Beide waren in Berlin, da am Vortag ein Fachgespräch im Hause zum gleichen Thema stattgefunden hatte. Dr. Andreas Kleine-Kraneburg, Leiter der Akademie, moderierte.
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Dr. Jakobs bestätigte den Referenten, dass „Die Protokolle der Weisen von Zion“ und Hitlers „Mein Kampf“ völlig selbstverständlich an jeder Straßenecke in Kairo zu erwerben seien, was ihm „schon gar nicht mehr auffalle“. Dr. Martin Beck kritisierte in der Diskussion den westlichen Umgang mit der Hamas, die zunächst von der EU „inständig zur Teilnahme an der palästinensischen Wahl aufgefordert“ worden sei, als Wahlsieger aber fallen gelassen worden war, was entscheidend zur Unglaubwürdigkeit westlicher Demokratien beigetragen habe. Teile der hier als größte Gefahr angesehenen Moslembruderschaft in Kairo hätten sich inzwischen gewandelt und müßten in den politischen Prozess eingebunden werden. Jochen Feilcke warnte noch mal eindringlich vor den Gefahren für Israel. So sei ja gerade die negative Erfahrung mit der Hamas im Gaza-Streifen Grund genug dafür, mit der Muslimbruderschaft jetzt vorsichtiger umzugehen. Auch wies Feilcke gegenüber Dr. Martin Beck zurück, dass die „israelische Besatzung“ und der bis heute ungelöste Nahost-Konflikt als „Ursache“ für den Antisemitismus/Antizionismus der Islamisten charakterisierisiert werde.
Heute scheint die Stiftungsarbeit, so Dr. Andreas Kleine-Kraneburg in seinem Schlußwort, mehr denn je gefordert, um den Prozess der Demokratisierung zu unterstützen. Der Minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Dirk Niebel, hat spontan weitere Millionen für den demokratischen Aufbau in Nahost zugesagt.
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Hören Sie hier ein Interview mit Eldad Beck in der Sendung „Shabbat Shalom“ des NDR vom 25.02.2011 zu seinen Erfahrungen in Tunis und Kairo.
Eldad Beck, jahrelanger Nahost- und Europa-Korrespondent verschiedener Medien in Israel und Europa, ist seit 2002 Deutschland- und Europakorrespondent der israelischen Tageszeitung “Yedioth Ahronot” und Autor des Buches “Jenseits der Grenze – Reisen und Treffen in verbotenen Ländern”, die leider bisher nicht auf Deutsch vorliegt. Er versucht, eine neue Vision des Friedens im Nahen Osten zu entwickeln.
Mehr Infos zum Thema:
Im Taxi in Kairo – die kritischen Beobachtungen von Chalid al-Chamissi, ARD, 23.00 Uhr