Vortrag von Dr. Dan Shueftan, 11. Mai 2017, Humboldt-Universität, 19 Uhr
2017 gibt es zahlreiche Jahrestage in Israels Geschichte. Erster Zionistenkongress (1897), Balfour-Deklaration (1917), UN-Teilungsplan (1947), 6-Tage-Krieg und Wiedervereinigung Jerusalems (1967), Friedensabkommen mit Ägypten (1977).
Dr. Dan Shueftan erläuterte in seinem Vortrag bei der Deutsch-Israelischen Gesellschaft am 11. Mai in der Humboldt-Universität dazu keine historischen Details. Sein Augenmerk galt dem, was hinter diesen Jahrestagen steht: Die Nöte und Besonderheiten des jüdischen Volkes, das seit 1948 erstmals in nachbiblischer Zeit in einem eigenen Staat lebt.
Heute ist dieser Staat eine offene Gesellschaft und wird immer pluralistischer, wie Shueftan betont. Das Dilemma der rund 7 Millionen Juden im Umfeld von rund 350 Millionen Arabern: Etwa 1,5 Millionen Araber leben mit den Juden im israelischen Staatsgebiet und haben die israelische Staatsbürgerschaft. Mit zwei Nachbarstaaten – Ägypten und Jordanien – besteht ein Friedensvertrag. Alle anderen arabischen Länder und der Iran sowie die Türkei sind mehr oder weniger feindselig Israel gegenüber. Und auch die eigenen Staatsbürger und die Länder mit einem Friedensvertrag sind nicht durchweg Freunde des kleinen Landes. In dieser Situation ist eins klar: Zeigt Israel Schwäche, wird es vernichtet.
Was macht eigentlich ein Volk aus? Ein gemeinsames Land? Hatten die Juden Tausende von Jahren nicht. Eine gemeinsame Sprache? Durch die Diaspora war das nur im Gebet so. Bindeglied der in alle Teile der Welt verstreut lebenden Juden war also bis zur Staatsgründung die Religion. Anfangs zeigte sich, dass zwischen Ashkenasim, also den Juden aus Osteuropa, und Orientalen, den Juden aus den arabischen Ländern, scheinbar unüberwindbar kulturelle Unterschiede bestanden. Eine aktuelle Statistik relativiert das allerdings: Heute ist die die israelische Gesellschaft wie andere westliche Gesellschaften vielmehr in arm und reich, in gebildet und ungebildet und in andere als diese kulturellen Hintergründe aufgeteilt. Shueftans Erklärung ist, dass diese Widerstände überwunden wurden und werden, weil es einen Schmelztiegel gibt: Die Armee. Alle jungen Israelis dienen als Frauen zwei und als Männer drei Jahre. Hier sind sie aufeinander angewiesen und schließen miteinander Freundschaften unabhängig von der Herkunft. Aber am wichtigsten ist die Armee als Heiratsmarkt. Heirat unter den verschiedenen Ethnien führt seit Staatsgründung zur Bildung eines Staatsvolkes, unabhängig von der religiösen Ebene.
Zweites Bindeglied ist die Sprache geworden. Bei der Staatsgründung war Iwrit, das moderne Hebräisch, für große Teile der Bevölkerung eine Fremdsprache. Heute stellt Iwrit die Verbindung zu den Menschen von vor 2000 Jahren her, als die Juden bereits ein Volk waren und diese, ihre eigene Sprache sprachen.
Das Land, das heute blüht und gedeiht, wurde in seiner jetzigen Form von den Juden entwickelt, seit sie es in Besitz nehmen konnten. Und in einem Lied zum nachbiblischen Fest Chanukka heißt es: …“wir bringen das Licht…wir sind das Wunder“. Die hier mitschwingende Arroganz der Israelis sei wichtig. Shueftan: Nicht alle Araber sind Barbaren, aber was sie sich gegenseitig antun, ist barbarisch. Was sie dann anderen antun, ist umso schlimmer. Wer da überlebt, kann es überall.
Fazit: Nach außen müsse man hart sein wie Sparta, aber nach innen weich wie Athene. Denn sonst wäre es nicht nötig, zu überleben. D.h. Israel muss seine Feinde abschrecken und auch töten, aber ethisches Handeln ist überlebenswichtig nach innen. Der Druck zwischen diesen Polen ist enorm und Israel ist die einzige Kultur, die diesen Druck aushält.
Die Beurteilung der israelischen Gesellschaft durch die europäischen Medien, in großen Teilen einseitig „israelkritisch“, sei für Israel nicht wirklich relevant, so Shueftan. Viel wichtiger sei die Pluralität, die im Land existiert und die mit jedem Jahr wächst. Wichtig auch die Fähigkeit der Israelis, auf neue Herausforderungen schneller zu reagieren, als die Feinde sie unter Druck setzen könnten. Der Erfolg dieses Volkes liege in der Bildung. Als Misserfolg sieht Shueftan den Einfluss der Religion. Ultraorthodoxe Rabbiner, die den Staat ablehnen, sind für ihn Feinde, die primitive Menschen um sich versammeln, nicht arbeiten und viele Kinder haben.
Die Besetzung der palästinensischen Gebiete findet Shueftan schlecht, aber er garantiert, dass kein Rückzug, auch kein kompletter, den Frieden bringen würde. Aus Erfahrungen der Vergangenheit haben die Israelis die Einstellung entwickelt: Wir wollen die Siedlungen nicht, aber wenn wir die besetzten Gebiete verlassen, kommen die Palästinenser uns bis nach Tel Aviv hinterher.
Israel habe eine gute Ökonomie, niedrige Arbeitslosigkeit und ein höheres Wachstum als Europa. Der Boykott gegen seine Waren zwinge das Land dazu, erfolgreich immer neue Wege zu gehen. Denn die Position Israels in der Welt ist von Hass auf das Land geprägt: Dieser Hass der Mehrheit der Mitglieder der UNO und der UNESCO ist der von Barbaren, die selten anderes tun, als ihre eigenen Menschen zu unterdrücken und dumm zu halten. Mit falschen Anklagen gegen Israel lenken sie von ihren eigenen Verfehlungen ab. Und die Europäer leben in der Utopie, dass sie nur ihre Werte aufgeben müssen, d.h. sich auf deren Niveau begeben müssen, um diese Barbaren für sich zu gewinnen. „Das Problem mit Europa ist, dass sie versuchen, uns zu untergraben, uns zu bestrafen. Aber Israel ist nicht in der Europäischen Union und so müssen wir nicht auf sie hören“, so Shueftan.
Seine Frage: Wie sieht es denn mit der Geschichte der Freiheit in Deutschland aus? Erst mussten deutsche Städte zerstört werden, damit Deutschland heute in Frieden leben kann. Die Engländer und Amerikaner waren nicht nett, aber nur durch ihre Härte konnte sich die heutige Freiheit hier entwickeln.
Fazit von Shueftan: „Wenn man nicht hart ist, kann man nicht weich sein“. Heute machen die Europäer ihre Fehler und lassen sich von den Amerikanern retten. „Wir Israelis vertrauen darauf nicht, sondern nur auf uns selbst.“
Auf die Frage nach dem Verhältnis zwischen Israel und den Russen meinte Shueftan, das Verhältnis sei gut, aber ihre Präsenz in Syrien sei problematisch.
Zum Verhältnis zu Amerika führte er aus, dass Obama nett, aber der inkompetenteste Präsident der USA im Nahen Osten gewesen sei. Trump hält er für gefährlich. Er hoffe, dieser mache eine bessere Außenpolitik als Obama. Innerhalb Amerikas müsse er den Consensus halten. Aber eigentlich gehe Trump als Person mit dem Amt nicht zusammen. Bisher war er gut für Israel, untergrabe die Feinde Israels. Und er halte Israel für so stark, dass es sogar einen inkompetenten Präsidenten der USA verkrafte. Israel wird schneller stark, als die Probleme wachsen – sowohl ökonomisch als auch menschlich oder militärisch.
Was hat es nun mit der berühmten „Israelkritik“ auf sich? Dieses spezielle Wort für die Kritik eines Landes gebe es nur für Israel. Nach der Definition, was Antisemitismus ist, handelt es sich dann um Antisemitismus, wenn an Juden ein anderer Standard angelegt wird, als an alle anderen. Das ist hier der Fall.
Die Frage, ob in Europa die Quelle der Aggression der Araber liege, verneinte der Referent, der kein Manuskript oder an irgendeiner Stelle seinen Faden verloren hatte. Sie bekommen ihre Waffen vor allem aus Iran, aber ihre Aggression liegt darin, dass sie nur ein Talent haben: zu Töten.
Die Kooperation mit Jordanien klappe zurzeit, sie schützten die gemeinsame Grenze und die zu den Autonomiegebieten, nicht Israel. Ägypten hat die palästinensischen Tunnel zerstört und kämpft mit Israel gegen gemeinsame Feinde im Sinai.
Es sei Israels großer Vorteil, die ständig wechselnden Verhältnisse zu meistern. Veränderungen sind das Wesen des Nahen Ostens und Israel ist stark genug, diese rechtzeitig zu erkennen und aufzufangen. Nette Menschen könnten hier nicht überleben.
Zur Frage, wie er die Gefahr durch die Hisbollah heute einschätze, meinte Shueftan: Sie haben inzwischen viel präzisere Raketen als früher, aber sie wissen, wenn sie sie benutzen wird Israel den Libanon vernichten. Und das will der Iran nicht, der die Hisbollah lenkt. Die Mullahs haben eigentlich die Macht und sie wissen, dass Israel nicht zögern würde, sich mit Macht zu verteidigen.
Würde er heute wie damals Ministerpräsident Sharon den einseitigen Rückzug aus Gaza empfehlen? Absolut, meinte Shueftan, dieses Gebiet zu sichern war ein zu großer Kraftakt. Wenn es nach ihm ginge würde er auch aus dem Zentrum der Westbank zurück ziehen und nur die Siedlungen, die einen Ring um Israel bilden, behalten.
Und wie ist Europas Haltung zu bewerten? Shueftan: Europa will seine Erfahrungen im Nahen Osten anwenden. Aber das ist illusorisch. Der Nahe Osten ist barbarisch. Die Gemeinsamkeiten der Europäer machten es möglich, dass sie nach dem Zweiten Weltkrieg Frieden miteinander schließen konnten. Und die Unterschiede zwischen Israelis und ihren Nachbarn machen genau das unmöglich.
Bericht von Maya Zehden