Bericht: Ermittlungen des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) gegen Israel

Eine Online-Veranstaltung der DIG Berlin mit Carsten Ovens, Executive Director des European Leadership Network (ELNET) Deutschland am 19. Mai 2021

Es ist nichts Neues, dass Israel im internationalen Rahmen durch die UN immer wieder einen Sonderstatus erfährt, indem es unangemessene Ermahnungen oder Verurteilungen erhält. Noch einen Schritt weiter geht aber der jüngste Versuch, Israel vor den Internationalen Strafgerichtshof zu stellen, denn das hier angewandte Verfahren ist mehr als zweifelhaft, wie Carsten Ovens in seinem Vortrag deutlich machte.

Der Strafgerichtshof ist eine internationale Organisation, gegründet 1998 mit dem Rom Statut, finanziert von seinen mit einem Vertrag verbundenen 123 Mitgliedsländern. Es gibt drei Richter, die darüber zu entscheiden hatten, ob Israel wegen angeblicher Kriegsverbrechen vor diesem Gerichtshof anzuklagen sei. Die Entscheidung fiel 2:1. Es geht um drei Themen: Gaza 2014, Todesopfer im Grenzgebiet 2018 und Siedlungen in der Westbank.

Fakt ist, dass diese Entscheidung völkerrechtlich nicht abgedeckt ist. Üblicherweise werden vom IStGH Ermittlungen geführt, die zwei Staaten betreffen, die den Vertrag ratifiziert haben. Israel erkennt den Internationalen Strafgerichtshof wegen seiner in Teilen politisch motivierten und nicht unabhängigen Ausrichtung nicht an und ist auch kein Mitgliedsland. Damit ist es nicht allein, das gilt auch für eine Reihe anderer Staaten wie etwa die USA, Russland und China. Und Palästina ist kein offiziell anerkannter Staat, gehört aber dennoch dem IStGH seit 2015 an. Das bedeutet, die Palästinensischen Gebiete erhalten entgegen den Protesten vieler Länder und Experten und entgegen dem Osloer Abkommen Staatsqualität.

Des Weiteren darf die Qualität der Rechtsprechung in dem angeklagten Staat den internationalen Standards zur Aufklärung der im IStGH zu verhandelnden Verbrechen nicht entsprechen. Israel hat jedoch ein sehr gut funktionierendes Rechtssystem. Kriegsverbrechen werden im eigenen Land aufgeklärt. Nicht nur einzelne Bürger, sondern auch Menschenrechtsorganisationen haben die Möglichkeit, entsprechende Klagen einzureichen.

Dass also das Richtergremium im Februar 2021 die Zuständigkeit für die Anklage trotzdem bestätigt hat, ist eine offensichtlich einseitig dimensionierte politische Entscheidung. Zusätzlich bedeutsam daran ist, dass die seit dem 15. Juni 2012 amtierende Chefanklägerin und Förderin dieses Antrags, die gambische Juristin Fatou Bom Bensouda, seit März 2021 dem Richtergremium nicht mehr angehört. Sie hat diese Entscheidung also kurz vor dem Auslaufen ihrer Amtszeit auf den Weg gebracht. Neu gewählter Chefankläger ist der britische Jurist Karim Khan, der jetzt für die Durchführung des Prozesses verantwortlich sein wird.

Was sind die Zuständigkeiten des IStGH? Sie umfassen die vier Kernverbrechen des Völkerstrafrechts, nämlich Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit sowie Verbrechen der Aggression und Kriegsverbrechen, soweit sie nach seiner Gründung am 17. Juli 1998 begangen wurden.

Der IStGH sollte sich also eigentlich mit Angriffskriegen befassen, so wie wir sie zuletzt im Mai 2021 durch die Hamas in Gaza auf Israel erlebt haben. Über 4000 Raketen wurden abgefeuert, in Israel waren 12 zivile Todesopfer zu beklagen. Auch aus dem Libanon wurden zwei Raketen abgeschossen – Aggressionen, die in jeder Hinsicht anklagenswert wären. Wobei ein Teil der Raketen es nicht über die Grenze nach Israel schaffte. Die Toten auf eigenem Gebiet in Gaza, darunter auch Kinder, wurden in Kauf genommen.

Bereits 2014 hatte die Hamas mit anhaltendem Raketenbeschuss eine Reaktion Israels hervorgerufen – eine Anklage vor dem IStGH erfolgte nicht. Schwerpunktmäßig wurden im IStGH bislang hauptsächlich Fälle auf dem afrikanischen Kontinent behandelt. Offensichtliche Kriegsverbrechen wie etwa in Syrien wurden nicht auf die Agenda des Gerichtshofs gesetzt.

Eine weitere ungeklärte Frage ist, weshalb das Oslo-Abkommen in diesem Fall nicht greifen soll. Danach ist das Westjordanland in drei Zonen A, B und C aufgeteilt. In den Gebieten der A und B-Zone greift eine eigene Gerichtsbarkeit der palästinensischen Autonomiebehörde. Verbrechen könnten also auch hier verhandelt werden. Offensichtlich besteht daran jedoch kein Interesse. Eine Ausnahme stellen die sogenannten C-Gebiete mit Ostjerusalem dar. Die gegenwärtigen Auseinandersetzungen in Ostjerusalem, die vermeintlich zum Konflikt im Mai beigetragen haben, betreffen keine Verbrechen gegen die Menschlichkeit, sondern es handelt sich um Eigentumsrechte, die derzeit nach dem geltenden Recht in Israel in jedem Einzelfall juristisch geklärt werden.

Es steht zu befürchten, dass sich die beabsichtigte Verhandlung vor dem IStGH negativ auf die gegenwärtigen Bemühungen um Frieden in der Region auswirken wird, die derzeit mit den Abraham-Abkommen zwischen Israel und verschiedenen arabischen Staaten deutliche Fortschritte machen. Deutschland wäre gut beraten, hier eine vermittelnde Rolle einzunehmen, indem es auf die einzelnen im IStGH beteiligten Länder zugeht und auf rechtliche Prüfungen besteht ehe es zu einem Prozess kommt, dessen offensichtliches Ziel einmal mehr die widerrechtliche Verurteilung Israels vor einem internationalen Gremium ist. Dazu könnten aus der deutschen Gesellschaft, aus der Mitte unserer Deutsch-Israelischen Gesellschaft und von den Vorständen der DIG’s bundesweit entsprechende Mitteilungen (Briefe, Mails etc.) ans Auswärtige Amt hilfreich sein.

 

Den Zusammenschnitt der Veranstaltung finden Sie hier:

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