Unter dem Motto „Zusammen gegen den Al Quds-Tag – gegen antisemitische und antiisraelische Hetze“ fand am 27.09.2008 erneut ein breites politisches und gesellschaftliches Bündnis aus Christen, Juden, Muslimen und Säkularen zusammen, das sich gegen die Demonstration verschiedener islamistischer Vereine zum Al-Quds-Tag in Berlin richtete. Auch die DIG Berlin und Potsdam war bei Aufruf und Gegenkundgebung wieder mit dabei. Trotz geringer Presseresonanz im Vorfeld kamen rund 150 Teilnehmerinnen und Teilnehmer zu uns auf den Breitscheidplatz. Redner waren in diesem Jahr Evrim Baba, Levi Salomon, Beauftragter für Antisemitismus der Jüdischen Gemeinde, Meggie Jahn, DIG Berlin und Potsdam, Marcus Löning, FDP-Bundestagsabgeordneter, Dr. Nassrin Bassiri, iranische Künstlerin und Frauenbeauftragte an der KH Weissensee, Rudi Pahnke, Stiftung Neue Impulse e.V., Fathiyeh Naghibzadeh, Mideast Freedom Forum Berlin, und ein Vertreter der VVN.
Erstmals zum sog. Jerusalem-Tag aufgerufen hatte 1979 der iranische Revolutionsführer Ayatollah Khomeini. Er erklärte es damals zur (religiösen) Pflicht eines jeden Moslems, „Jerusalem zu befreien“ und für die Vernichtung des „zionistischen Regimes“ zu kämpfen, was sich eindeutig gegen die Existenzberechtigung Israels richtete. Heute wird diese Ideologie – verbrämt mit einer antisemitischen Weltverschwörungstheorie – in erstaunlicher Offenheit gegenüber der Weltgemeinschaft durch den iranischen Staatspräsidenten Achmadinejad – zuletzt gegenüber der UN – vertreten, ohne dass dies schmerzhafte Folgen für ihn hätte.
Was bis 2003 von der Mehrheitsgesellschaft kaum registriert, in einem interkulturellen Kalender in Berlin sogar als muslimischer Feiertag am letzten Freitag jedes Ramadan geführt wurde, wird nicht nur in Teheran und Beirut, sondern auch in europäischen Großstädten wie London, Paris und Wien jährlich mit Hasstiraden auf Israel gefeiert.
Dass sich dies in Berlin seit 2003 geändert hat und die Islamisten auf ihrer Internetseite inzwischen dazu aufrufen müssen, keine provozierenden Plakate zu schwenken, ist der breiten Gegenwehr einer Initiative zu verdanken, in der sich u.a. im Rahmen der Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus auch Muslime gegen antisraelische und antisemitische Hetze artikuliert hatten. Heute hat die Berliner Polizei fest mit uns zu rechnen. Während im Jahr 2000 von den Initiatoren noch an die 3000 Teilnehmer mobilisiert werden konnten, boten diese in den letzten Jahren nicht mehr als 400 bis 500 Anhänger auf. Auf Grund unseres Gegenbündnisses distanzierte sich vor einigen Jahren auch der neue Imam des Islamischen Zentrums in Hamburg von der Demonstration, ein Faktum,das sicher mitverantwortlich ist für den starken Rückgang der muslimischen Teilnehmerzahlen.
Dass die Hisbollah-Anhänger ihre Demonstration 2006 als „Schweigemarsch“ und in diesem Jahr als „Friedensmarsch“ tarnten, konnte uns über deren wahre Absichten nicht täuschen. So fanden sich zwischen den scheinbar friedlichen Parolen „Jerusalem – Stadt des Friedens“, „Kein Krieg mehr für die Demokratie“ oder „Militärische Überlegenheit rechtfertigt keine Gewalt“ denn auch Konterfeis des früheren geistlichen Oberhaupts der Schiiten, Ayatollah Khomeini, und seines Nachfolgers Chamenei, vereinzelt aber auch ein Bild von Hisbollah-Chef Nasrallah im Libanon. Um die in den letzten Jahren kritisch diskutierte Hisbollah-Fahne zu vermeiden, trugen die Al-Quds-Demonstranten die libanesische Nationalfahne. Zudem fanden sich bei genauerem Hinsehen Parolen wie „Kein Maulkorb für Zionismus-Forscher“, womit man nichts anderes forderte als Redefreiheit für Holocaust-Leugner wie David Irving und Horst Mahler. Zugleich warnteman vor einer „Wiederholung des Holocaust gegen Palästinenser“ (!) und bezeichnete Israel als die „größte Gefahr für den Weltfrieden“. Letzteres glauben laut einer Umfrage der EU-Kommission 2003 allerdings auch mehr als 60 Prozent der Deutschen und Europäer.
Es war deshalb um so wichtiger, gegenüber den islamistischen Fundamentalisten erneut Flagge zu zeigen. Tatsache ist, dass allein das Zeigen der israelischenFahne und das Skandieren der reinen Selbstverständlichkeit „Israel mussleben“ zu Provokationen aus dem Demonstrationszug führte, welche diePolizei in Alarmbereitschaft versetzten. Wir würden uns freuen, wenn 2009 mehr gemäßigte Muslime dem Aufruf des Menschenrechtspolitikers VolkerBeck, Mitglied der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen und Mitunterzeichner unseres Aufrufs, folgen würden, an unserer Kundgebung teilzunehmen, um nicht nur durch ihre Abwesenheit bei der Al-Quds-Demonstration, sondern durch die Teilnahme an unserer Gegenkundgebung ein deutliches Zeichen zu setzen, dass sie sich von den Islamisten nicht vertreten fühlen.
Noch besser wäre jedoch, wenn sich der Trend bestätigte und eine Al-Quds-Veranstaltung in Berlin künftig keine Teilnehmer mehr fände. Verbuchen wir es auch als unseren Erfolg, dass die Initiatoren der Berliner Al-Quds-Demonstration bei ihrer Abschlusskundgebung auf dem Wittenbergplatz keinen „Festredner“ bieten konnten, sondern eine Frau aus dem Teilnehmerkreis Flugblatt verlas, das die üblichen Stereotypen gegen Israel enthielt. Noch vor zwei Jahren konnte man sich mit dem selbst ernannten Rabbiner Moshe Friedman aus Wien schmücken, der wenig später auf Einladung des iranischenStaatspräsidenten Achmadinejad zur Holocaust-Konferenz nach Teheran reiste. Erwartet hatten die Islamisten in diesem Jahr 1000 Teilnehmer, tatsächlich marschierten nur etwa 400 über den Kurfürstendamm, darunter viele Frauen und Kinder. Bei der Abschlusskundgebung zählte die Polizei offiziell nur noch rund 100 Personen.
Die Entwicklung zeigt, dass unser breites demokratisches Bündnis etwas bewegen kann und deshalb in den nächsten Jahren noch breiter werden muss, damit die Berliner Anhänger des iranischen Aufrufs zur Löschung Israels von der Landkarte ins Leere laufen. Wir werden auf jeden Fall weiter dagegen protestieren.
Hier finden Sie die Rede von Meggie Jahn. Fathiyeh Naghibzadeh redete für das Mideast Freedom Forum Berlin. Ihr Redebeitrag auf Video oder hier …
Aufruf 2008
„Zusammen gegen den Al Quds-Tag – gegen antisemitische
und antiisraelische Hetze“
Seit 1979 rufen islamistische Organisationen jedes Jahr zum Ende des Fastenmonats Ramadan weltweit zu Al Quds-Aktivitäten auf. Dabei beziehen sich die VeranstalterInnen auf den Aufruf des damaligen iranischen Revolutionsführers Ajatollah Khomeini, der seine Anhänger zur „Befreiung“ Jerusalems und zur Vernichtung Israels aufforderte.
Dieser Tradition folgend wütet der derzeitige iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad seit Jahren gegen das Existenzrecht Israels. Gleichzeitig unterstützt das Mullah-Regime mit finanziellen und materiellen Mitteln Aktivitäten radikaler, antisemitisch ausgerichteter Organisationen gegen Israel und seine Verbündeten.
In Berlin wird für den 27. September 2008, wie fast jedes Jahr seit 1996, zu einer Al Quds-Demonstration mobilisiert. Die Zielsetzung ist dabei klar: „Zerstörung des zionistischen Staates“. Dabei legen die Organisatoren besonderen Wert auf die Instrumentalisierung des Israel-Palästina-Konfliktes, um die antiisraelische, antisemitistische und antiamerikanische Ausrichtung zu kaschieren.
Trotz unterschiedlicher Meinung zu den Konflikten im Nahen Osten rufen die Organisatoren, Unterstützer und Unterstützerinnen zu einer Gegenkundgebung auf.
Diese richten sich gegen:
- die Delegitimierung des Staates Israel,
- antisemitische, antiisraelische und antiamerikanische Hetze,
- gegen jegliche Menschenrechtsverletzungen durch das iranische Regime,
- Diskriminierungen und Kriminalisierungen von muslimischen Menschen und anderen MigrantInnen,
- die Verwendung von Religionen zur Mobilisierung, als Rechtfertigung und zur Ausübung von Gewalt und Krieg,
- jede Art des Fundamentalismus und
- jeden Versuch den Holocaust zu leugnen oder zu relativieren.
Zeigen Sie mit uns Ihren Protest gegen den internationalen Al Quds-Tag
am 27. September 2008,
ab 13.00 Uhr,
auf dem Berliner Breitscheidplatz
Wer die Vernichtung Israels fordert, kann nicht für Frieden eintreten!
AufruferInnen:
- Evrim Baba, MdA Berlin, DIE LINKE
- Alexander Schudy (Berliner entwicklungspolitischer Ratschlag)
- Anetta Kahane, Amadeu-Antonio-Stiftung Berlin
- Antifa Prenzlauer Berg
- Antifaschistische Initiative Moabit (AIM), Mitglied in der Berliner VVN-BdA
- Bella Zchwiraschwili, ILI
- Bilkay Öney, MdA Berlin, Innenpolitische Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen
- Bodo Ramelow, Religionspolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion DIE LINKE
- Bundesarbeitskreis Shalom der Linksjugend [’solid]
- Carsten Hübner, Ex-MdB DIE LINKE
- Cem Özdemir, MdEP Bündnis 90/Die Grünen
- Child Survivors Deutschland e.V.
- Claudia Dantschke, wiss. Mitarbeiterin in der Gesellschaft Demokratische Kultur (GDK) Berlin
- Deutsch-Israelische Gesellschaft Berlin und Potsdam
- Dogan Akhanli, Schriftsteller, Köln
- Dr. Elvira Grözinger, stellv. Vorsitzende Scholars for Peace in the Middle East, German Chapter
- Dr. Gregor Gysi, Vorsitzender der Bundestagsfraktion DIE LINKE.
- Dr. Hans Coppi, Vorsitzender der Berliner VVN-BdA
- Dr. Klaus Lederer, MdA „DIE LINKE“
- Dr. Martin Jander, New York University (Berlin)
- Dr. Nikoline Hansen, Bund der Verfolgten des Naziregimes Berlin e.V.
- Dr.Hans Erxleben, BzV Die Linke Treptow-Köpenick
- Eva Quistorp, Frauen fuer Frieden,Berlin
- Frank Brendle, Landesgeschäftsführer der DFG-VK Berlin
- Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Berlin
- H.Schumann und Gisela Psarras, Bremen
- Halina Bendkowski, Journalistin, Publizistin, Feminismus & Geschlechterdemokratie
- Hamid Nowzari, Vorstand des Vereins iranischer Flüchtlinge in Berlin e.V.
- Hans Branscheidt (European Turkey Civic Commission, Brüssel)
- Helmut Ruppel, Pfr., Archivstraße 21, 14195 Berlin
- Jan Korte, MdB, DIE LINKE
- Jörg Fischer-Aharon, Journalist, Geschäftsführer haKadima – Bildungswerk für Demokratie und Kultur e.V. Berlin.
- Jugendforum der Deutsch-Israelischen Gesellschaft
- Jusos Berlin
- Katayun Pirdawari, Iranexpertin, Politologin und Erziehungswissenschaftlerin
- Lala Süßkind, Vorsitzende Jüdische Gemeinde, Berlin
- Levi Salomon (Beauftragter für die Bekämpfung des Antisemitismus, Jüdische Gemeinde, Berlin)
- Lisa Schäfer, Initiative Berliner Kinderskulptur Friedrichstrasse
- LSVD e. V. Berlin-Brandenburg
- Markus Löning, MdB, FDP
- Mideast Freedom Forum Berlin
- Monika Hannah Thamm, MdA Berlin, CDU
- Nasrin Amirsedghi, Publizitin/Mainz
- Nicole Warmboldt, VVN-BdA Berlin
- Niels Annen, Mitglied der SPD-Bundestagsfraktion
- Petra Pau, Bundestagsvizepräsidentin, DIE LINKE
- Prof. Gert Weisskirchen, MdB, Außenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion und persönlicher Beauftragter des OSZE-Vorsitzenden zur Bekämpfung des Antisemitismus
- Rudi Pahnke, Institut für Neue Impulse e.V., Berlin
- Sebastian Brux, Berlin
- Seyran Ateş, Rechtsanwältin, Autorin
- Sharon Adler, Herausgeberin AVIVA-Berlin
- Stefan Kullmann, Berlin
- Steffen Reiche, MdB, SPD
- Stuttgarter Friedensinitiative
- Taies Farzan (Schauspielerin, Regisseurin)
- Thomas Rassloff Anti-Defamation Forum (adf e.v.)
- Thomas von der Osten-Sacken, Geschäftsführer von Wadi e. V., Frankfurt a. M.
- Uwe Hartwig, Vorsitzender Lagergemeinschaft Auschwitz – Freundeskreis der Auschwitzer
- www.der-berliton.de
- Volker Beck, MdB, Sprecher für Menschenrechtspolitik, Bündnis 90/Die Grünen
Ein Bericht von Meggie Jahn, Fotos von Fritz Zimmermann und Meggie Jahn
Mehr Infos zum Thema:
- Pressemitteilung von Bilkay Öney, Innenpol. Sprecherin der Grünen-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, vom 05.11.2008: „Gesicht zeigen gegen Antisemitismus„
- Anti-Al-Quds, Judith Kessler in der „Jüdischen“ vom 03.11.2008.
- Al-Quds-Tag 2008, Artikel von Nikoline Hansen, Vorsitzende des BVN Berlin, für die Zeitschrift „Die Mahnung“.
- Lesen Sie in einem Artikel von Alexander Ritzmann in der „Welt“ vom 23.09.2008, was die Hisbollah-Anhänger mit ihrem „Friedensmarsch“ am Samstag wirklich wollen. Mehr …
- Hier finden Sie Bilder von der Gegenkundgebung zum Al-Quds-Tag im Oktober 2006, an der DIG Berlin und Jugendforum ebenfalls beteiligt waren.
- Auszüge aus der Rede, die der iranische Staatspräsident Mahmoud Ahmadinejad am 23.09.2008 vor der UN-Vollversammlung gehalten hat:„In Palästina werden noch immer 60 Jahre von Gemetzel und Invasion durch die Hände einiger verbrecherischer und besetzender Zionisten fortgesetzt.Sie haben ein Regime gefälscht, indem sie Leute aus verschiedenen Teilen der Welt gesammelt und sie in das Land eines anderen Volkes gebracht haben, in dem sie die wahren Besetzer dieses Landes vertreiben, inhaftieren und ermorden. Unter Vorankündigung marschieren sie ein, meucheln und halten Lebensmittel- und Medizinblockaden, während sie von einigen hegemonialen und tyrannischen Mächten unterstützt werden.Der Sicherheitsrat kann nichts tun, und manchmal ebnet er auf den Druck weniger tyrannischer Mächte sogar den Weg für diese zionistischen Mörder. Es ist nur natürlich, dass einige UN-Resolutionen, die die Misere des palästinensischen Volkes ansprechen, unbeachtet in die Archive relegiert worden sind“.“Mit der Würde, der Integrität und den Rechten der amerikanischen und europäischen Völker wird von einer kleinen, aber hinterlistigen Zahl von Leuten namens Zionisten gespielt. Obwohl sie eine unbedeutende Minderheit sind, beherrschen sie einen wichtigen Teil der finanziellen Zentren sowie der politischen Entscheidungszentren einiger europäischer Länder und der USA in einer tückischen, komplexen und verstohlenen Art und Weise.Es ist zutiefst desaströs, dass einige Präsidentschafts- oder Ministerpräsidentschaftskandidaten in einigen großen Länder diese Leute besuchen, an ihren Zusammenkünften teilnehmen und ihre Treue und Verpflichtung gegenüber ihren Interessen schwören müssen, um finanzielle und mediale Unterstützung zu erhalten“.“Das heißt, die großen Völker Amerikas und verschiedener Nationen in Europa müssen den Forderungen und Wünschen einer kleinen Zahl habgieriger und invasiver Leute gehorchen. Diese Nationen geben ihre Würde und ihre Ressourcen für die Verbrechen und Besatzungen und Bedrohungen der zionistischen Netzwerks gegen ihren Wille her…““Heute befindet sich das zionistische Regime im eindeutigen Gefälle zum Kollaps, und es gibt für es keinen Ausweg aus der Jauchegrube, die es selbst und seine Unterstützer geschaffen haben“.“Das amerikanische Imperium in der Welt erreicht das Ende seiner Straße, und seine Herrscher müssen ihre Einmischung auf ihre eigenen Grenzen beschränken…“
Die vollständige Rede in englischer Übersetzung finden Sie auf der Seite http://www.un.org/ga/63/generaldebate/pdf/iran_en.pdf
(UNO, 23.09.08)Hier kommen Sie zur Kundgebung gegen den Al-Quds-Tag 2006 und vorher ….