Dr. Jochen Müller sprach am 27. April 2009 im Centrum Judaicum zum Thema
Bericht von Meggie Jahn
Fotos von Meggie Jahn, Marcus Mohr, Uwe Schneider, und Fritz Zimmermann
In bewährter Tradition luden DIG Berlin/Potsdam und Friedrich Naumann Stiftung für die Freiheit (FNF) am 27. April 2009 gemeinsam ins Centrum Judaicum in Berlin-Mitte ein. Dr. Jochen Müller war gebeten, über „Das Israelbild junger Muslime in Deutschland“ zu sprechen. Veronika Kolb, Leiterin des Regionalbüros Berlin-Brandenburg der FNF, dankte in ihrem Grußwort dem Centrum Judaicum für die erneute Gastfreundschaft und der DIG für die wiederholte Kooperation. Zudem gab sie einen kleinen Einblick in die Aktivitäten der Naumann-Stiftung als Nichtregierungsorganisation in Israel und den palästinensischen Gebieten.
Im Anschluss begrüßte Meggie Jahn im Namen der DIG Berlin und Potsdam das Publikum, stellte den Referenten vor und führte in das Thema ein.
Der Islamwissenschaftler Dr. Jochen Müller habe schon einmal bei DIG und Hanns-Seidel-Stiftung gesprochen, damals über das Israelbild in den arabischen Medien. Inzwischen ist er Mitbegründer und Mitarbeiter von „ufuq.de – Jugendkultur, Medien & politische Bildung in der Einwanderungsgesellschaft“ (www.ufuq.de). Zu den Themen Islam und islamische Jugendkultur sowie demokratiegefährdende Einstellungen bei jungen Muslimen sei er als Autor, Berater sowie in der Weiterbildung von Multiplikator/innen und für die Bundeszentrale für politische Bildung tätig.
Anlass für das Thema des Abends, so Meggie Jahn, seien z.T. auch emotional geführte Diskussionen innerhalb der DIG-Mitgliedschaft, wie wir mit Antisemitismus und Israelhass bei jungen Migranten aus der Nahost-Region umgehen sollten. Dabei variierten die Meinungen zwischen der Auffassung, der Islam und nicht erst Islamismus sei das eigentliche Problem bis hin zu der von Leon de Winter vertretenen These, nicht eine „Islamisierung Europas, sondern eine Europäisierung des Islam“ sei zu konstatieren (eingefordert etwa durch mutige Türkinnen wie Seyran Atec oder Necla Kelek). Tatsache sei, so die Stellv. Vorsitzende der DIG Berlin und Potsdam, dass in Deutschland inzwischen rund 3,5 Mio. Muslime lebten, mit denen wir eine Form des Zusammenlebens finden müssten. Die jahrelange Verweigerung der Konservativen, Deutschland als Einwanderungsgesellschaft anzuerkennen, sei ebenso ein Fehler gewesen wie die naive Begeisterung für „Multikulti“ bei den GRÜNEN/Linken in Deutschland. Inzwischen lade Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble zu sog. Islamkonferenzen ein und Cem Özdemir plädiere dafür, Gefahren klar zu benennen und die Probleme m i t Muslimen zu diskutieren, statt aus falscher Rücksichtnahme und Angst vor dem Vorwurf der Islamophobie zu schweigen. So auch seine Forderung bei der jüngsten Vorstellung der Publikation „Die Juden sind schuld. Antisemitismus in der Einwanderungsgesellschaft am Beispiel muslimisch sozialisierter Milieus“ der Amadeu-Antonio-Stiftung in Berlin.
Die im Dezember 2007 erschienene Studie von Katrin Brettfeld und Peter Wetzels „Muslime in Deutschland“, die noch von Otto Schily (BMI) in Auftrag gegeben worden war, sei die erste empirische Studie über die Akzeptanz politisch-religiös-motivierter Gewalt bei Muslimen, auch wenn die Zahl der Befürworter auf Grund der zahlreichen Faktoren, die zu einer Radikalisierung führen könnten, nicht ganz eindeutig sei. Dennoch zeige auch diese Studie, dass nur eine Minderheit der Muslime in Deutschland zu extremistischen Positionen neige oder gar Gewalt befürworte. Es gebe allerdings eine „durchaus substantielle Minderheit von 13,9 % mit einem problematischen Verhältnis zu Gewalt, und/oder Demokratie und Rechtsstaatlichkeit“, 6 % von ihnen seien als „gewalt-affin“ einzustufen. Unsere Aufgabe sei deshalb dafür zu sorgen, dass diese Zahl nicht weiter ansteige, vor allem das Umfeld müsse genau beobachtet werden.
Antisemitismus und Israelhass basierten, so die Erfahrungen von Pädagogen, würden genährt durch die (Hass-)Propaganda arabischer/türkischer/islamistischer Sender wie z.B. Al Manar via Satellitenfernsehen zuhause. Auch würde beides verschärft bei kriegerischen Auseinandersetzungen wie zuletzt im Gaza-Krieg. Oft diene der Nahost-Konflikt aber auch als Projektionsfläche für eigene Frustrationen durch Erfahrungen individueller oder kollektiver Ausgrenzung und fehlende Anerkennung in der Mehrheitsgesellschaft.
Vor diesem Hintergrund warteten wir alle mit Spannung auf die Ausführungen des Referenten.
Das Israelbild junger Muslime in Deutschland sei vor allem duch ihren Blick auf den Nahostkonflikt geprägt, so Dr. Müller, nachdem er Meggie Jahn für Vorstellung und Einführung gedankt hatte. Denn obwohl ihnen ihre Region eigenen Aussagen zufolge sehr wichtig sei und viele sie als ihre Heimat betrachteten, verfügten auch Jugendliche libanesisch-palästinensischer Herkunft meist über so gut wie keine Kenntnisse zu Geschichte und Gegenwart von Israel und den palästinensischen Gebieten bzw. der gesamten Region.
Welches Bild von Israel sie über die Betrachtung des Nahostkonfliktes gewönnen, sei zuletzt anlässlich der Proteste gegen den Gaza-Krieg deutlich geworden: Das Spektrum reiche hier von Kritik und Protest über ein Feindbild von Israel bis zu Israelhass und Antisemitismus. Anhand von Aufnahmen der Demonstration vom 10.1.2008 in Berlin sowie Auszügen aus Musikvideos und Internetforen, in denen Jugendliche kommunizierten, illustrierte Müller dieses Spektrum.
Dabei stellte er heraus, dass hier bei vielen Jugendlichen zunächst ernste und authentische Empörung und Betroffenheit zum Ausdruck käme. Mit ihrem Engagement trete die Mehrzahl der Jugendlichen für Gerechtigkeit und gegen einen ihrer Überzeugung nach ungerechten Krieg ein. Deutlich werde aber gleichzeitig, wie in den unterschiedlichen Jugendszenen Protest und Empörung in einseitige Darstellungen bishin zu primitivstem Israelhass und in die Reproduktion antisemitischer Stereotype münden könnten, die auch Vernichtungsfantasien umfassten.
Das Israelbild junger Muslime in Deutschland sei vor allem duch ihren Blick auf den Nahostkonflikt geprägt, so Dr. Müller, nachdem er Meggie Jahn für Vorstellung und Einführung gedankt hatte. Denn obwohl ihnen ihre Region eigenen Aussagen zufolge sehr wichtig sei und viele sie als ihre Heimat betrachteten, verfügten auch Jugendliche libanesisch-palästinensischer Herkunft meist über so gut wie keine Kenntnisse zu Geschichte und Gegenwart von Israel und den palästinensischen Gebieten bzw. der gesamten Region.
Welches Bild von Israel sie über die Betrachtung des Nahostkonfliktes gewönnen, sei zuletzt anlässlich der Proteste gegen den Gaza-Krieg deutlich geworden: Das Spektrum reiche hier von Kritik und Protest über ein Feindbild von Israel bis zu Israelhass und Antisemitismus. Anhand von Aufnahmen der Demonstration vom 10.1.2008 in Berlin sowie Auszügen aus Musikvideos und Internetforen, in denen Jugendliche kommunizierten, illustrierte Müller dieses Spektrum.
Dabei stellte er heraus, dass hier bei vielen Jugendlichen zunächst ernste und authentische Empörung und Betroffenheit zum Ausdruck käme. Mit ihrem Engagement trete die Mehrzahl der Jugendlichen für Gerechtigkeit und gegen einen ihrer Überzeugung nach ungerechten Krieg ein. Deutlich werde aber gleichzeitig, wie in den unterschiedlichen Jugendszenen Protest und Empörung in einseitige Darstellungen bishin zu primitivstem Israelhass und in die Reproduktion antisemitischer Stereotype münden könnten, die auch Vernichtungsfantasien umfassten.
Gemeinschaftsbegründend sei in diesem Zusammenhang auch die Provokation und Kritik an der „deutschen Gesellschaft“, ihrer Politik und ihren Medien: Dazu zählten auch die Vielzahl von Holocaustvergleichen bei den Demonstrationen und der Appell an „die Deutschen“, sich endlich von Schuldgefühlen zu befreien.
Darüber hinaus könne das Feindbild Israel sowie der Hass auf Israelis und Juden auch der Abfuhr von Aggressionen dienen, deren Ursache lebensweltliche Frustrationserfahrungen der Jugendlichen sein könnten – unter anderem spielten dabei Perspektivlosigkeit und fehlende Zugehörigkeit und Anerkennung in Deutschland eine Rolle. Der Nahostkonflikt und „die Juden“ seien hier nur Projektionsfläche und Sündenbock für reale, oft aber auch lediglich eingebildete und der Ideologiebildung dienende „Erfahrungen“, die die Jugendlichen in ihrem Alltag machten.
Wenn in der Konstituierung eines Feindbildes und im teilweise zum Vorschein kommenden Antisemitismus (hier sehr deutlich in seiner Funktion als Gemeinschaftsideologie erkennbar) nicht zuletzt auch das Bedürfnis von Jugendlichen nach Zugehörigkeit, eigener Stärke und Selbstwirksamkeit zum Ausdruck komme, dann müssse die pädagogische Intervention dem Rechnung tragen. Pädagogen in der schulischen wie der außerschulischen Bildungsarbeit vollzögen dabei einen Balanceakt: So dürften sie die Jugendlichen nicht mit ihren Urteilen moralisch „überwältigen“, sondern müssten in einen Dialog treten und ihnen mit Respekt, Anerkennung und Interesse an ihren Erfahrungen, Sichtweisen und Erzählungen begegnen. Gleichzeitig seien klare Abgrenzungen und ggf. Sanktionierungen erforderlich, um antisemitischen Positionen entgegen zu treten. Diese Balance zwischen Anerkennung und Konfrontation sei schwierig – da es sich hier um eine Feld handle, in dem sich Fragen des Umgangs mit der Geschichte, verschiedene Perspektiven auf einen anhaltenden Konflikt und aktuelle Auseinandersetzungen um Migration und Integration ineinander verschränkten.
Die Diskussion zeigte, dass Analyse und aufgezeigte pädagogische Ansätze nicht allen Zuhörern ausreichten – insbesondere da die von Müller eingespielten Ausschnitte und Parolen der Anti-Israel-Demonstrationen während des Gaza-Krieges noch nachklangen. Weitere und genauere Studien seien erforderlich, um das Gefahrenpotential durch Gewaltbereitschaft und Vernichtungsterminologie gegenüber Israel zu überprüfen, so Jochen Feilcke.
Meggie Jahn bedankte sich bei Referenten und Publikum für Vortrag und Diskussion und lud dazu ein, beim anschließenden Empfang, zu dem FNF und Centrum Judaicum auch diesmal eingeladen hatten, die Gespräche zu vertiefen. Wer mehr über pädagogische Konzepte gegen Israelhass und Antisemitismus bei jungen Muslimen erfahren wolle, sei herzlich zu unserer Veranstaltung am 25. Mai, 18.30 Uhr, in die Gedenk- und Bildungsstätte „Haus der Wannee-Konferenz“ eingeladen, wo wir auch der Frage nachgehen wollen, wie man das Thema Holocaust insbesondere migrantischen Jugendlichen nahe bringe, die heute vielfach bereits die Mehrheit in deutschen Klassen stellten.
Es gebe noch viel zu tun, so die Moderatorin, wenn man sich schon darüber freue, dass auf gemäßigteren muslimischen Internetseiten zwischen Juden und Israel unterschieden und antisemitische Äusserungen zurückgewiesen würden. Die undifferenzierte und einseitige Kritik an Israel bliebe bestehen. Hier befänden sich Muslime allerdings in guter Gesellschaft mit vielen Deutschen – seien sie rechts, links oder auch in der Mitte.
Mehr Infos zum Thema:
- Jochen Müller, Warum ist alles so ungerecht?. Antisemitismus und Israelhass bei Jugendlichen: Die Rolle des Nahostkonflikts und Optionen der pädagogischen Intervention, in: „Die Juden sind schuld“, Broschüre der Amadeu-Antonio-Stiftung zu Antisemitismus in der Einwanderungsgesellschaft am Beispiel muslimisch sozialisierter Milieus, sowie demnächst Veröffentlichung im Unrast-Verlag)
- Antisemitismus – Vorurteile unter muslimischen Migranten, Video bei Spiegel-TV. Mehr …
- Staat darf sich nicht wegducken, Interview mit Cem Özdemir in der F.R. vom 22.02.2009. Mehr …
- Auf der Seite www.ufuq.de können Sie einen Newsletter bestellen und sich regelmäßig über die Thematik informieren.