Vor dem Hintergrund anhaltender Diskussionen um den Gaza-Antrag im Deutschen Bundestag vom Juni 2010 vröffentlichen wir hier eine Stellungnahme der Israel-Preisträgerin Ruth Lapidoth über die juristischen Fragen im Zusammenhang mit der Gaza-Blockade.
Prof. Ruth Lapidoth is a senior researcher at the Jerusalem Institute for Israel Studies.
An expert of international law and legal aspects concerning autonomy, sovereignty and Jerusalem.
Videos von Ruth Lapidoth zum Thema
s. auch Fragen und Antworten zur Gaza-Blockade auf der Seite von Reuters:
16.Juni 2010
Da wir immer wieder Fragen zu bestimmten rechtlichen Schwierigkeiten erhalten, möchte wir Ihnen im Folgenden einen Artikel der Presseagentur Reuters auf Deutsch zur Verfügung stellen. Hierin werden einige der wichtigsten Fragen zu Israels Erstürmung der Schiffe vor Gaza und zur Seeblockade beantwortet:
1.) DARF ISRAEL EINE SEEBLOCKADE GEGEN GAZA VERHÄNGEN?
Ja, entsprechend dem Blockaderecht darf es das; dieses Recht ist aus dem gewohnheitsmäßigen Völkerrecht abgeleitet und in der Erklärung von London aus dem Jahr 1909 kodifiziert. Es wurde 1994 mit einem rechtlich anerkannten Dokument aktualisiert, das „San Remo Manual on International Law Applicable to Armed Conflicts at Sea“ heißt.
Im Rahmen einiger Schlüsselregeln muss eine Blockade erklärt werden und allen an der kriegerischen Auseinandersetzung beteiligten, sowie neutralen Staaten mitgeteilt werden; der Zugang zu neutralen Häfen darf nicht blockiert werden und ein Gebiet darf nur blockiert werden, wenn es unter Kontrolle des Feindes steht.
„Auf der Grundlage, dass die Hamas die herrschende Partei im Gazastreifen ist und Israel sich inmitten eines bewaffneten Kampf gegen diese herrschende Partei befindet, ist die Blockade legal“, sagte Philip Roche, Partner im Management Team für Schifffahrts-Streitigkeiten und -Risiken der Anwaltskanzlei Norton Rose.
2.) WAS SIND INTERNATIONALE GEWÄSSER?
Nach der UN-Konvention zum Seerecht hat ein Küstenstaat ein „Territorial-Meer“ von 12 Seemeilen ab der Küste, über die er souverän ist. Schiffe anderer Staaten ist die sogenannte „unschuldige Durchfahrt“ durch diese Gewässer erlaubt.
Es gibt eine weitere Zone von 12 Seemeilen, die „angrenzende Zone“, in denen ein Staat handeln darf, um sich bzw. sein Recht zu schützen.
„Doch genau jenseits der 12-Meilen-Zone ist das Meer ‚offene See‘ oder internationales Gewässer“, sagte Roche. Die israelische Marine sagte am Montag, die auf Gaza fahrende Flotte sei 120 Km westlich von Israel aufgebracht worden. Der türkische Kapitän auf einem dieser Fahrzeuge sagte nach der Heimkehr aus israelischer Haft bei einer Pressekonferenz in Istanbul, sie seien 68 Meilen außerhalb der territorialen Gewässer Israel gewesen.
Nach dem Blockaderecht kann das Aufbringen eines Schiffes weltweit erfolgen, wenn dieses auf dem Weg zu einem „kriegführenden“ Gebiet ist, sagen Rechtsexperten.
3.) DARF ISRAEL GEWALT ANWENDEN, WENN ES SCHIFFE AUFBRINGT?
Nach dem Völkerrecht darf es Gewalt anwenden, wenn ein Schiff geentert wird.
„Wenn die Gewalt unverhältnismäßig ist, wäre es eine Verletzung der Schlüsselgrundsätze für die Anwendung von Gewalt“ sagte Commander James Kraska, Professor für internationales Recht am U.S. Naval War College.
Die israelischen Behörden sagten, die Marinesoldaten, die das türkische Schiff Mavi Marama, enterten, hätten das Feuer in Selbstverteidigung eröffnet nachdem die Aktivisten sie mit Knüppeln schlugen und auf sie einstachen sowie ihnen einige ihrer Waffen entwendeten.
Rechtsexperten sagen, verhältnismäßige Gewalt bedeutet nicht, dass keine Schusswaffen genutzt werden dürfen, wenn die Soldaten mit Messern angegriffen werden. „Es muss aber eine Relation zwischen der Bedrohung und der Antwort geben“, sagte Kraska.
Die Anwendung von Gewalt kann auch weitere Auswirkungen haben. „Die kompletten Fakten müssen noch aus einer glaubwürdigen und transparenten Untersuchung erfolgen, aber von dem, was bisher bekannt ist, scheint es so, dass Israel innerhalb seiner legalen Rechte handelte“, sagte J. Peter Pham, strategischer Berater von Regierungen der USA und Europas.
4. ) GEGNER HABEN ISRAELS RAZZIA „PIRATERIE“ GENANNT. WAR ES DAS?
Nein, denn nach dem internationalen Recht ist es als staatliches Handeln anzusehen. „Egal, ob das, was Israel tat, richtig oder falsch war, es ist kein Akt von Piraterie. Piraterie hat mit privatem Handeln zu tun, insbesondere mit pekuniären oder finanziellem Interesse“, sagte Kraska.
Den Originalartikel finden Sie unter: REUTERS