Lesen Sie einen spannenden Artikel über die Frauen in Israel von der Zeit-Korrespondentin Gisela Dachs. Artikel
Frauen in Israel
Zwischen Karriere, Kindern und Armee
Das Frauenbild in Israel ist facettenreich. Eine neue Serie zeigt, wie sich Israelinnen zwischen Armee, Beruf, Familie und Religion behaupten.
© Jonathan Nackstrand/AFP/Getty Images
Auf die Plätze, fertig, los: Diese Israelinnen nehmen an einem Sprint auf Stöckelschuhen in Tel Aviv teil
In kaum einem Land ist das Frauenbild so widersprüchlich wie in Israel. Wie sich die Israelinnen ihren eigenen Weg zwischen Beruf, Familie, Armee, Geschichte und Religion erkämpfen, beschreibt ZEIT-Korrespondentin Gisela Dachs in einer exklusiven Serie in den kommenden Wochen auf ZEIT ONLINE.
Man stelle sich vor: Hundert Künstlerinnen aus einem Land bekommen jeweils eine nackte Schaufensterpuppe – quasi als Leinwand – und werden gebeten, Selbstbildnisse zu gestalten. So entstand die Ausstellung Hey Babe von und über Israelinnen. „Es gab keine Frau, die sich nicht mit der Puppe identifizieren konnte“, sagt Tami Sinar. Die 50-Jährige ist selbst Künstlerin und hat das Projekt konzipiert.
Wer durch die Ausstellungshalle des Museums von Ein Hod, einem Künstlerdorf südlich von Haifa, spaziert, kommt nur langsam voran. Nicht nur, weil die Puppen so gedrängt stehen, sondern weil jede einzelne eine ganze Welt für sich enthüllt. Die meisten drücken Kritik und geballte Energie gleichermaßen aus. Eine Puppe trägt ein Prinzessinnenkleid aus gebrauchten Teebeuteln, eine andere einen aus scheinbar endlosen Erledigungslisten angefertigten Rock. Eine andere Puppe ist ein strahlendes Schneewittchen, in dessen Tasche eine Hexenkönigin zu sehen ist. Wieder eine andere ist eine ganz in Gold getränkte Jongleurin.
Die Puppe, die Nili Pardes gestaltet hat, trägt ein Glitzerkleid und dazu Turnschuhe. Sie hat eine Krawatte um den Hals gebunden, in ihrem Jackett stecken zwei Handys. Außerdem besitzt sie den magnetisierten Angestelltenausweis einer High-Tech-Firma „Die Frau des 21.Jahrhunderts ruht keinen Augenblick“, schreibt Nili Pardes über ihre Puppe im Katalog. Es werde von ihr erwartet, gleichzeitig sehr feminin zu sein, erfolgreich in der Männerwelt zu funktionieren, sowie eine ergebene Mutter und perfekte Ehefrau abzugeben. „Draußen glänzt alles, bloß wie sieht es drinnen aus?“
So unterschiedlich die Darstellungen, so sehr ähneln sich viele in ihrer Botschaft: Die Israelin des Jahres 2010 versucht als Superwoman allen Ansprüchen gerecht zu werden – und vergisst sich dabei selber.
Gisela Dachs, Jahrgang 1963, studierte Literaturwissenschaften und Philosophie an der Sorbonne-Universität in Paris. Sie arbeitete zunächst als Redakteurin bei der französischen Tageszeitung Liberation und ab 1990 im Politik-Ressort der ZEIT in Hamburg. Seit 1994 schreibt sie aus Israel und der Region. Im Januar 2010 erschien ihr Buch (im Auftrag der Bundeszentrale für politische Bildung) Israel kurzgefasst.