Gründung der Deutsch-Israelischen Gesellschaft
Der schwierige Beginn: Berlin – Bonn
von Walter Sylten 07.04.2004
Die Vorarbeiten für einen privaten Verein zur Pflege der Beziehungen zwischen Deutschen und Israeli begannen in Berlin nach dem Auftritt von Propst Dr. Heinrich Grüber – als einziger deutscher Zeuge – im Mai 1960 im Eichmann-Prozess in Jerusalem. Eichmann war ein Gesprächspartner von Pfarrer Heinrich Grüber, der 1939 in Berlin ein Hilfsbüro für aus so genannten rassischen Gründen verfolgte evangelische Christen gegründet hatte. Dabei waren für eine erfolgreiche Arbeit auch Gespräche mit der GESTAPO und dort auch mit dem zuständigen Referenten Eichmann unvermeidbar. Es galt damals auch, Verfolgten die Möglichkeit zur Ausreise zu verschaffen. Zu diesem Zweck hatte Grüber seine, als Pfarrer der niederländischen Gemeinde in Berlin, vorhandenen internationalen Kontakte, zu den Kirchen der Ökumene so weit wie möglich ausbauen müssen. Und bis zu einem gewissen Grad war das sogar auch im Interesse der GESTAPO, die damit einverstanden war, wenn möglichst viele der „rassisch Minderwertigen“ das Deutsche Reich endgültig verließen. In dieser Arbeit stand Grüber im engen Kontakt mit der Reichsvereinigung der Juden, unter Leitung von Rabbiner Dr. Leo Baeck, den Quäkern und der katholischen Hilfsstelle. Diese Arbeit fand ein Ende, als sich zu Beginn des Krieges die Gegner und die Neutralen gegen eine weitere Auswanderung Deutscher abschotteten. Durch seine Aussage wurde Grüber in Israel ein geschätzter und weithin bekannter Mann.
Aus Anlass von Grübers 70. Geburtstag am 24. Juni 1961 wurde von einem Gratulationskomitee, dem viele Israel und dem Judentum wohl gesonnene Männer und Frauen angehörten – unter ihnen z.B. der Vorsitzende des Wiedergutmachungsausschusses im Deutschen Bundestag, Professor Franz Böhm, der frühere Berliner Bürgermeister Professor Ferdinand Friedensburg, Altbundespräsident Heuss, Grübers katholisches „Pendant“ Frau Dr. Luckner aus Freiburg, der Vizepräsident der Montanunion Dr. Dr. Hermann Pünder, der ehemalige Reichstagspräsident Paul Löbe, der Hamburger Journalist Erich Lüth – zu Spenden für einen Grüber-Wald in Israel aufgerufen. Es kamen insgesamt über 200.000 DM zusammen mit denen 50.000 Bäume gepflanzt werden konnten. Grüber startete die Pflanzung mit einer Delegation des Leitungsorgans der Evangelischen Kirche in Deutschland, die am 09.11.1961 erstmals Kontakte zu Israel aufnehmen konnte.
Die Hauptträger dieser Sammlungsarbeit waren der Meinung, dass mit dieser einmaligen Sammlung die Zusammenarbeit nicht beendet sein sollte. Sie trafen sich, um über eine Fortsetzung der Arbeit zugunsten Israels zu beraten. Das Ergebnis war die Erinnerung an einen 1926 gegründeten und 1933 verbotenen Verein „Pro Palästina-Komitee“, dem schon damals Männer angehörten, die auch im neuen Deutschland wieder einen Namen hatten: der Altkanzler Adenauer, der Gewerkschafter Siegfried Aufhäuser, der Berliner Wirtschaftssenator Paul Hertz und der ehemalige Reichstagspräsident Paul Löbe. Dieses alte Komitee sollte in einer den heutigen Verhältnissen angepassten Form und Zielsetzung erneuert werden. Unter dem Namen „Pro Israel“ wurde schon am 07.09.1961 die Vereinsgründung mit einer Satzung beschlossen und vorangetrieben. Ziel war sowohl eine breite Massenwerbung von Mitgliedern aus der gesamten Bundesrepublik einschließlich Berlin, als auch die Berufung einer großen Anzahl von Ehrenmitgliedern. Den Vorsitz übernahm zunächst Propst Dr. Heinrich Grüber, seine Stellvertreter waren der Rechtsreferent Rolf Loewenberg und der Vorsitzende des Zentralverbandes der ehemals Verfolgten Konrad Hoffmann aus Hamburg, Schriftführer, der zunächst sehr engagierte Motor des ganzen Unternehmens, Mendel Karger-Karin aus Tel Aviv und dessen Vertreter Walter Sylten aus Berlin. Mitbegründer waren der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, Heinz Galinski, Werner Goldberg (damals MdA), Dr. Curt Radlauer, Konsistorialpräsident Hansjörg Ranke aus Berlin, Rechtsanwalt und Notar Cohen aus Braunschweig. Um die Ehrenmitgliedschaft sollten die noch lebenden Mitglieder des alten Pro-Palästina-Komittees Dr. Konrad Adenauer, Siegfried Aufhäuser, Hermann Pünder und Paul Löbe gebeten werden, aber auch eine stattliche Zahl von Männern und Frauen, die sich in der Gegenwart um die Belange Israels bemühen. Ich zähle hier ohne protokollarischen Rang einfach Namen mit Kennzeichnung auf: Kurt Birrenbach MdB, Generaldirektor Hermann Abs, Pater Willehad Eckert, Frau Dr. Gertrud Luckner aus Freiburg, Bundestagspräsident a.D. Gerstenmaier, der Vorsitzender des DGB Walter Rosenberg, Bundesminister a.D. Ernst Lemmer und aus der Berliner Politik: die Abgeordneten Frau Lore Lipschitz, Frau Dr. Ella Barowsky, Professor Reif, die Senatoren Prof. Joachim Tiburtius und Wolfgang Kirsch, Intendant Wolfgang Stresemann, Generalstaatsanwalt Hans Günther, Schauspieler und Intendant Victor de Kowa, Zentralbankpräsident Dr. Franz Suchan, die Professoren Helmut Gollwitzer, Goldschmidt, Prof. Günter Harder, der damalige Präses Kurt Scharf etc.. Wir bekamen viel Zustimmung und interessierte Nachfragen. Aber ohne hauptamtliche Motoren oder wenigstens einen, der Ideen umzusetzen bereit und in der Lage ist, lässt sich eine solche Arbeit nicht zum Erfolg bringen. Immerhin erschienen drei Hefte einer Schriftenreihe unter dem Namen des Vereins, Grüber berichtete von großen Erfolgen bei Vortragsreisen in Süd- und in Westdeutschland, es wurde mit viel Aufwand gebastelt an einer „Denkschrift“ zu den deutsch-israelischen Beziehungen, es wurden in Kooperation mit einem israelischen Reisebüro (Ophir – Hauser in Tel Aviv) Unterkunftsräume für Kibbuzaufenthalte von jungen Deutschen geschaffen. Aber es fehlte an einem Büro und einer organisatorischen Grundlage. Um Ansatzpunkte für örtliche Vertretungen in westdeutschen Ländern zu finden, baten wir die Israel-Mission um Namen und Anschriften der – aktiven – Leiter von Gruppen, die in den letzten zwei Jahren Israel besucht hatten. Entgegen unserer Hoffnung wurde unser Vorhaben von der Israel-Mission ignoriert. Im Gegenteil: in der Knesset und so auch in der israelischen Regierung, bestand große Zurückhaltung gegenüber deutschen privaten Initiativen, solange sich die deutsche Regierung gegen die Aufnahme diplomatischer Beziehungen verschloss. Es sollte nicht der Eindruck erweckt werden, die deutsch-israelischen Beziehungen könnten sich auch ohne diesen letzten Schritt voll entwickeln.
Als in Braunschweig und später auch in Berlin von Professor Gollwitzer und seinen Studenten die Gründung einer Deutsch-Israelischen Gesellschaft erwogen wurde, hatten wir dagegen einzuwenden, dass für eine neutrale Deutsch-Israelische Gesellschaft die Zeit nicht reif zu sein schien. In unserer Denkschrift hieß es zunächst: „Angesichts der Untaten, die im Namen Deutschlands an den Juden begangen wurden, kann es in Deutschland keine Gleichgültigkeit geben, wenn es um die Sicherheit und Zukunft des Staates Israel geht. Wir haben deshalb bewusst den Namen „Pro-Israel“ gewählt.“ Später haben wir dann den Kompromiss gefunden, dass dies auf jeden Fall gelte, solange es keine diplomatischen Beziehungen zwischen unseren Ländern gebe.
Dann hörten wir von einem neuen Gründungsansatz des nun im Frankfurter Raum lebenden Freudenberg (einem während der NS-Zeit im Schweizer Exil innerhalb der weltweiten Ökumene arbeitenden Freund Grübers, der damals seine Arbeit ganz wesentlich unterstützte) in Verbindung mit dem Heidelberger Professor für Theologie, Rolf Rendtorff. Der gesellschaftliche Druck auf die deutsche Regierung wuchs schließlich erneut durch die Unterschriftenaktion, zu der der DGB gemeinsam mit dem Deutschen Koordinierungsrat christlich-jüdischer Gesellschaften aufrief. Hier kam, auf unseren hauptsächlich in Berlin verankerten Verein, noch eine besondere Aufgabe zu, denn die Berliner christlich-jüdische Gesellschaft hatte eine Beteiligung an einer solchen politischen Aktion abgelehnt. Das war auch später ihr Standpunkt. Als der Schreiber dieser Zeilen seinen Antrittsbesuch als Vorsitzender der Berliner Arbeitsgemeinschaft der DIG bei dem damaligen evangelischen Vorsitzenden Herrn Professor Tiburtius machte, war für diesen ganz klar, dass unsere Vereine unterschiedliche Aufgaben hätten. In Berlin gab es deshalb von Anfang an keine Reibereien und keine ängstliche Konkurrenz zwischen der DIG und der örtlichen christlich-jüdischen Gesellschaft, wie dies in anderen Teilen der Bundesrepublik, zumindest am Anfang, sehr häufig befürchtet wurde.
Schließlich kam es zur Aufnahme der deutsch-israelischen diplomatischen Beziehungen am 12.05.1965. Die Gründe für die bisherige Erschwerung einer Gesellschaft Deutschland – Israel durch Israel entfielen.
Am 02.11.1965 traf sich im Rathaus Schöneberg ein kleiner Kreis, der in Berlin wohnenden Interessenten von „Pro-Israel“ (Propst Heinrich Grüber, Bundesminister a.D. Ernst Lemmer, Walter Sylten, Senatspräsident Helmut R. Külz, der Rechtsreferent der Jüdischen Gemeinde Loewenberg, die Abgeordneten Werner Goldberg und Dr. Ella Barowsky, der „Telegraf“-Herausgeber Arno Scholz, Senatsrat Rolf Magen, die Bezirksbürgermeister Wilhelm Dumstrey und Dr. Grunner):
Zunächst sollte Kontakt zu den in Bonn an der Gründung einer Deutsch-Israelischen Gesellschaft interessierten Bundestagsabgeordneten Gerhard Jahn und Ernst Benda aufgenommen werden.
Selbst wenn es im Prinzip richtig blieb, bis zur Vorbereitung des Bodens für eine entsprechende Organisation in Israel, auch im Namen des Vereins die Einseitigkeit zum Ausdruck zu bringen, sollte hier in Berlin im Vereinsregister der Name „Deutsch-Israelische Gesellschaft „zu unseren Gunsten“ geschützt werden. Es sollte deshalb zunächst nur pro forma ein neuer Verein mit diesem Namen gegründet werden, der zu gegebener Zeit – in 1-2 Jahren – die Aktivitäten von Pro-Israel übernehmen könnte (mit dieser Vorbereitung wurden Magen, Külz und Sylten beauftragt)
Propst Grüber war bereit, auch im größeren Rahmen den Vorsitz zu übernehmen und er stand für die Zeit des Aufbaus einer größeren Gesellschaft zur Verfügung.
Am 17.12.1965 traf sich etwa der gleiche Kreis erneut. Grüber und Sylten berichten über eine Sitzung des Gründungsausschusses einer DIG in Bonn, an der neben Jahn und Benda auch Prof. Rendtorff aus Heidelberg und sie beide beteiligt waren. Für ein Zusammengehen mit den Bonnern sprach aus Berliner Sicht: die Bonner Gründung ist nicht aufzuhalten und sinnvoll, da Politiker zu einer Gründung durch die Parteien bzw. ihre Vertrauensleute in Bonn eher neigten als zu einer privaten Veranstaltung in Berlin.
Die uns gegebenen Zusagen von bedeutenden Persönlichkeiten in der deutschen Politik wurden uns nicht mit Wissen um mehrere unabhängige Gründungen gegeben. Einige Politiker haben sowohl den Bonnern als auch den Berlinern „ja“ gesagt. So mancher würde sich bei einer Kampfabstimmung für die Bonner entscheiden. Es war klar, dass die Presse Verlautbarungen aus Bonn eher wahrnehmen würde.
In der Öffentlichkeit würde ein Gegeneinander beider Gruppen der gemeinsamen Sache nur schaden. Außerdem waren die Perspektiven hinsichtlich finanzieller Hilfen aus öffentlichen Kassen in Bonn weit günstiger.
Daraufhin gab es mehrere Treffen zwischen den beiden Bonner Abgeordneten, Professor Rendtorff und Sylten als Delegat der Berliner. Sylten notiert sich als Ergebnis:
Anerkennung, dass „Pro Israel“ als einzige Gruppe in der Bundesrepublik seit langem mit der gleichen Zielsetzung arbeitet und so ein Schwerpunkt der DIG sein muss.
Ein nicht nur formaler Vorsitz von Propst Grüber wird ausdrücklich zugestanden – ebenso eine starke Beteiligung von Berlinern. Es wurde verabredet: Berlin und Bonn werden Sitz des Vereins. Das bedeutete zwei Geschäftsstellen für die im Aufbau befindliche Gesellschaft. Nur die Vorbereitung der Gesellschaft sollte auf einen Schwerpunkt, aber unter ständiger Begleitung von Berlin, konzentriert sein.
Für „Pro Israel“ konnte ein korporativer Beitritt oder gar eine Auflösung nicht empfohlen werden (denn so war unser Einfluss gegen zentralistische Allüren der Bonner) stärker.
Wo später das Schwergewicht der Gesellschaft liegen werde, sollte sich aus der Aktivität der beiden Geschäftsstellen ergeben. Als Devise galt: Konkurrenz schadet nicht, sondern dient der Sache, der wir dienen wollen.
Am 28.01.1966 beschloss die Berliner Gruppe von „Pro Israel“:
Das Vorgehen von Grüber und Sylten in Bonn wird gebilligt
Die am 02.11. beschlossenen Bemühungen zur Vorbereitung einer DIG in Berlin werden vorerst eingestellt
Welche Forderungen sind gegenüber den Bonnern geltend zu machen:
- a) Ort der Gründungsversammlung solle Berlin sein. Das mögliche Argument einer weiten Anreise von mehr potentiellen Teilnehmern sollte nicht akzeptiert werden
- b) zwei Geschäftsstellen in der Satzung verankern?
- c) die Gliederung der Organisation mindestens in Landesorganisationen sollte in der Satzung verankert werden (die Bonner hielten eine unmittelbare Mitgliedschaft von wenigen, hervorragenden Einzel- und Gruppenmitgliedern in einer Zentralgesellschaft für wünschenswert, weil weniger Organisationsaufwand – wir halten Landesverbände schon deshalb für wichtig, weil eine Kontaktmöglichkeit unter möglichst vielen Mitgliedern möglich sein müsse, und weil sich sonst Landesregierungen nicht finanziell engagieren würden. Direkte Mitgliedschaft in Zentralorganisation sollte möglichst gering gehalten werden. „Für ein ausgewogenes Stimmenverhältnis wäre Sorge zu tragen.“
Diese Diskussion von „Zentralisten“ und Anhängern einer örtlichen Gliederung sollte in den ersten Jahren der DIG noch für intensive Diskussionen im Präsidium sorgen. Nach und nach wurde dann auch von den kräftigsten „Zentralisten“ erkannt, dass aktive und Mitglieder und Beitragszahler notwendig sind. Die von den Abgeordneten vermuteten öffentlichen Finanzierungsmöglichkeiten für eine zwischenstaatliche Gesellschaft gab es eben nicht.
Den Berliner Initiatoren war auch wichtig:
- d) Es sollte ausdrücklich und schriftlich gegenüber den Gründern bedauert werden, dass nicht alle Teile der Bundesrepublik bei dieser Gründung vertreten sein können. Wir schlugen deshalb namentlich die Beteiligung der Herren Hoffman/Hamburg für den norddeutschen Bereich, Dr. Cohen für Niedersachsen und OB Vogel/München für Bayern vor.
Am 04.02.1966 teilte Sylten den Vertretern von „Pro-Israel“ nach neuen Bonner Gesprächen mit, dass diese Forderungen weitgehend in Bonn durchgesetzt werden konnten: Sitz der Gesellschaft werde in Berlin, die Geschäftsstelle allerdings in Bonn sein. Aber immerhin sei mit dem Sitz auch eine regelmäßige Tagung der Organe der Gesellschaft in Berlin ausdrücklich abgesprochen worden. Herr Hoffmann werde in Zukunft beteiligt, Dr. Cohen vorerst nicht, weil Oberstadtdirektor a.D. Lotz für Niedersachsen bereits seine Mitwirkung zugesagt hatte und der Gründerkreis sollte nicht zu groß werden. Die öffentliche Gründungsversammlung werde voraussichtlich am 19. Mai 1966 in einem noch zu findenden repräsentativen Saal in Berlin stattfinden.
Am 21.03.1966 fand dann im Bonner Bundeshaus die förmliche Gründungsversammlung der DIG statt. Das Interesse der eingeladenen Einzelpersönlichkeiten und Organisationen war durchaus zufriedenstellend. Für eine so trockene Sache, wie es eine Vereinsgründung war, konnte nicht mehr erwartet werden. Propst Grüber wurde zum Vorsitzenden des Kuratoriums, einem der drei Organe der Gesellschaft, gewählt. Die Liste der Kuratoriumsmitglieder ist lang: alle Damen und Herren, die wir bei unseren Bemühungen berücksichtigt hatten, waren im Kuratorium der neuen Gesellschaft vertreten (ohne Vollständigkeit der Titulaturen):
- Altbundeskanzler Dr. Konrad Adenauer (MdB)
- Professor Dr. Franz Böhm (MdB)
- Reichstagspräsident a.D. Paul Löbe
- Dr. Gertrud Luckner
- Erich Lüth
- Der Berliner Stadtälteste Siegfried Aufhäuser
- Rechtsanwalt Otto Küster
- Prof. Dr. Dr. Beckmann (Präses der Rheinischen Kirche)
- Rudolf Küstermeier, Tel Aviv
- Bundestagespräsident Dr. Dr. Eugen Gerstenmaier
- Vizepräsident Professor Dr. Carlo Schmid
- Willi Eichler
- Freiherr zu Guttenberg (MdB)
- Bischof Kurt Scharf, Berlin
- Dr. Werner Bockelmann, Frankfurt
- Ludwig Rosenberg (DGB)
- Prof. Dr. Heinz Kremers, Düsseldorf
- Professor Dr. Balke (MdB)
- Oberbürgermeister Dr. Hans-Jochen Vogel, München
- Prälat Dr. Dr. Hermann Maas,
- Herausgeber Karl Marx
- Dr. H.G. van Dam
- Walter Dirks
- Weihbischof Walther Kampe
- Pfarrer Dr. Adolf Freudenberg, Bad Vilbel
- Prof. Dr. Helmut Gollwitzer
- Staatssekretär a.D. Felix von Eckardt (MdB)
- Bundesminister a.D. Ernst Lemmer(MdB)
Der Vorstand wurde zunächst nur für ein Jahr gewählt, um dann bei einer Neuwahl eine breitere Basis zu ermöglichen. Präsident wurde Gerhard Jahn (MdB), Vizepräsidenten Ernst Benda (MdB), Bankdirektor Walter Hesselbach und Professor Rolf Rendtorff. In das Präsidium wurden berufen: Thomas Dehler (MdB), Landeskirchenrat Nikolaus Becker aus Düsseldorf, Pater Dr. Willehad Eckart, der Beigeordnete Giesberts aus Köln, Konrad Hoffmann aus Hamburg, Dr. von Imhoff, Dr.Lotz aus Braunschweig, Heinz Putzrath, Dieter Rieke und Walter Sylten aus Berlin.
Die Eintragung des Vereins im Berliner Vereinsregister begegnete zunächst Schwierigkeiten, weil ein bis dahin völlig unbekannter israelischer Staatsbürger Porath gemeinsam mit einem Journalisten Back ohne jeden Rückhalt in Berlin eine „Deutsch-Israelische Gesellschaft“ haben eintragen lassen – wir vermuteten private finanzielle Interessen. Jedenfalls dauerte es Monate, bis sie mit Hilfe israelischer Behörden dahin gebracht wurden, das Vereinsregister wieder frei zu geben.
Die öffentliche Gründungsversammlung am 19. Mai 1966 15.00 Uhr in der Berliner Akademie der Künste am Hanseatenweg war ein durchschlagender Erfolg! Es war ja gar nicht vorhersehbar, wie viele Menschen da kommen würden; deshalb waren die Räume der Akademie so günstig mit ihren zwei großen Sälen und einer Bühne in der Mitte. So konnte erst nur ein Saal geöffnet werden, aber bald musste (oder konnte) der zweite Saal auch geöffnet werden. Vorangegangen war eine Präsidiumssitzung im Goldenen Saal des Schöneberger Rathauses, mittags ein Empfang durch den Regierenden Bürgermeister Willy Brandt.
Zugesagt als ein Sprecher aus dem alten „Pro Palästina-Komitee“ hatte Altbundeskanzler Adenauer – warum er nicht nach Berlin kam, ist in den Berliner Unterlagen nicht notiert, aber es sprach neben den Vereinsvertretern (und wohl auch dem ersten Botschafter Israels in Deutschland Asher Ben Nathan, der auf jeden Fall anwesend war) vor allem als gebetener Festredner der als einer der besten Bundestagsredner ausgewiesene frühere Berliner Kultursenator Adolf Arndt (MdB) aus Berlin. Der Vortrag wird diesem Bericht als Anlage beigefügt werden, denn er ist auch nach 40 Jahren lesens- und bewegenswert – und er wird es wohl auch noch in weiteren 40 Jahren sein. Seine Ansprache wurde damals auch allgemein beachtet und als Ausdruck dessen verstanden worden, was die Gründer bewegte.
Scharf angegriffen wurde der Beitrag Arndts eigentlich nur von dem damals noch in Deutschland lebenden Jochanan Bloch (später Uni Beer Sheva). Er ging von einem uns damals wie heute schwer nachvollziehbaren Zionismusbegriff aus.
Er bezweifelte, ob diese Einstellung Arndts – und damit wohl auch unreflektiert der meisten Anhänger der DIG – die wahren Interessen des heutigen Judentums und Israels erkenne. Dabei kritisierte das Israel-Engagement sei viel zu stark vom assimilierten Judentum in Europa und Amerika geprägt. Die Diskussion war und ist sehr interessant, auch im Hinblick auf nach wie vor bestehende Auseinandersetzungen in Palästina/Israel. Auch bei den Sympathisanten Israels und den Juden gegenüber freundlich eingestellten Nichtjuden in Europa und Amerika fehlte oft Verständnis, geschweige denn an Sympathie für die Haltung der israelischen Regierung und ihrer Anhänger. Die von Professor Rendtorff, der sich dazu in den Frankfurter Heften geäußert hatte, brieflich angeregte Diskussion mit Jochanan Bloch, hat leider weder in Berlin noch in Bonn stattgefunden.
Berliner Arbeitsgemeinschaft der DIG
Die an den Vorgesprächen Beteiligten und die, die sich nach der Gründungsversammlung als Mitglieder gemeldet hatten, wurden zu einer ersten Zusammenkunft der Arbeitsgemeinschaft am 02. November 1966 in den Kammersaal des Rathauses Schöneberg eingeladen. Es erschienen 56 Mitglieder und Interessierte, darunter viele, die im politischen oder kulturellen Leben der Stadt bedeutend waren und die an den Vorbereitungsgesprächen nicht teilgenommen hatten (Wirtschaftssenator Dr. Karl König, Horst Behrend von den Vaganten, Dieter Ruckhaberle von der Deutschen Gesellschaft für bildende Künste – Berliner Kunstverein, der Sänger und Chorleiter Dietrich Fischer-Dieskau, Hellmut Sieglerschmidt (MdB), Gewerkschaftsvertreter, Parteileute, auch etliche junge Leute von den Deutsch-Israelischen Studiengruppen etc. (Hier taucht auch das erste Mal Herr Reiner Bernstein auf, der spätere Geschäftsführer der DIG)
Herr Goldberg wurde zum Versammlungsleiter gewählt. Nach einem einleitenden kurzen Bericht über die Vorgeschichte der Gründung sollte eigentlich – so war es vorher verabredet – über das gesprochen werden, was nun hier in Berlin geschehen sollte. Insbesondere die jüngeren Teilnehmer wollten aber zunächst einmal eine ausführlichere Diskussion. Darüber gab es Streit und einige der Teilnehmer verließen daraufhin den Saal (Hintergrund: damals war der Höhepunkt der öffentlichen Debatten um die Notstandsgesetze und die DIS hatte sich auf die Seite der Gesetzesgegner geschlagen, und denen behagte der starke Einfluss Bonner Parlamentarier auf die DIG gar nicht). Der „Tagesspiegel“ schrieb in seinem Bericht über diese Versammlung, die DIG wollte mit befreundeten Organisationen zusammenarbeiten, aber schon mit den Deutsch-Israelischen Studiengruppen klappe es nicht. Dagegen setzte sich selbst der Vorsitzende der DIS im Tagesspiegel zur Wehr: die Spannungen in der Versammlung seien nicht grundsätzlicher Natur gewesen, sondern es ging nur um das Verfahren.
Einig war man sich: In künftigen Vollversammlungen der Mitglieder sollten möglichst wenig geschäftliche Dinge besprochen werden, hauptsächlich sollten Referate gehalten oder Filme vorgeführt werden.
Darüber hinaus wurde ein vorbereitender Ausschuss gebildet, der die Grundsätze für die Organisation der Arbeitsgemeinschaft der DIG in Berlin ausarbeiten solle (Frau Olga Tresselt-Manstaedt, die Herren Rolf Loewenberg, Peter Müller und Heinz Wewer von den Deutsch-Israelischen Studiengruppen, Dieter Ruckhaberle vom Berliner Kunstverein, Hellmut Sieglerschmidt (MdB), Walter Sylten.
Schon vor dieser Zusammenkunft und dann auch in dem gewählten Vorbereitungsausschuss war davon die Rede, dass ständige oder ad hoc Arbeitskreise gebildet werden sollten, an denen die Mitglieder sich beteiligen können, die zu weiterer Aktivität bereit sind. Diese würden sich wegen des vorläufigen Fehlens einer Geschäftsstelle selbst „verwalten“. Gedacht war an folgende Themen:
– Regionale Öffentlichkeitsarbeit, Werbung, Herausgabe eines Rundbriefes
– Sammlung und Sichtung von Nachrichten aus und über Israel
– Einladung von Israeli und Besucherbetreuung
– Förderung von Jugend- und Studentenaustausch
– Beobachtung des wissenschaftlichen und kulturellen Austausches
– Beobachtung und Förderung von wirtschaftlichen Kontakten
– Sammlung und Kommentierung von Literatur über Israel.
Die Leiter dieser Arbeitskreise sollten den Vorstand der Berliner Arbeitsgemeinschaft bilden. Das war – aus heutiger Sicht – völlig überspannt und ohne großen Apparat gar nicht zu machen. Das erkannten vielleicht viele Mitglieder schneller als die, die berufen waren.
Walter Sylten wurde zum Vorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft gewählt. Er bekam anschließend manch bitteren Brief von Teilnehmern der Versammlung aus verschiedenen, z.T. einander widersprechenden Gründen. Auf jeden Fall kann auch ein örtlicher Verband ohne einen gewissen Apparat nicht arbeiten.
Bei Durchsicht der noch vorhandenen Akten von damals fällt heute eine Erinnerung auf: Senatsdirektor Heinz Striek beklagt am 10.02.67, dass er noch keine Aufforderung zur Beitragszahlung für 1966 und 1967 erhalten habe. In der zweiten Zusammenkunft der Berliner Arbeitsgemeinschaft am 08.02.1967 werden Arbeitskreise gebildet und kommissarische Leiter bestellt:
- Hellmut Sieglerschmidt (Öffentlichkeitsarbeit),
- Wolfgang Müller (Sammlung und Auswertung aller Informationen über Israel),
- Studienrätin Jutta Brost (kommentierte Bibliographie),
- Dieter Ruckhaberle (Jugend-, Studenten- und Kulturaustausch) und
- Herr Ralph Schweiger (Studien der Grundlagen des Antisemitismus).
Außerdem beschloss die Versammlung, dass die Berliner Mitglieder gebeten werden sollen, einen Zusatzbeitrag mit der Zweckbestimmung „Für die AG Berlin“ der Geschäftsstelle in Bonn zu überweisen. In dem Bericht heißt es dazu: „…und wenn Sie uns darüber auch noch unterrichten würden…“! Die Leiter sollten ihre Gruppen selbständig einladen und koordinieren.
Erhebliche Schwierigkeiten anstelle von Hilfestellung erfuhren wir von der Geschäftsstelle in Bonn: Adressenänderungen, Neuzugänge wurden uns nicht laufend berichtet etc.
Unterbrochen wurde das sich anbahnende etwas müde Vereinsleben durch den Ausbruch des „Sechstagekrieges“ am 05. Juni 1967. Wir in Europa hatten über mehrere Tage hinweg keinerlei Nachricht über das Geschehen. War Israel schon überrollt? Seine Armeen vernichtet? Der Pressereferent vom Dienst in der Senatskanzlei sprach Sylten an, ob er etwas zur Realisierung der an ihn von Günther Grass herangetragenen Idee einer großen Geldsammlung zugunsten von Israel tun könne. Ganz unabhängig davon, welches Schicksal die Juden in Israel zur Zeit durchmachen, anschließend werde mit Sicherheit Geld benötigt. Sylten griff diese Idee auf, traf sich anschließend gleich mit Grass in dessen Wohnung und beide flogen am nächsten Tag nach Bonn, zu der schon seit längerer Zeit anberaumten Präsidiumssitzung. In dieser Sitzung wurde die Idee aufgegriffen und der Aufruf „Hilfe für Israel“ von Grass und der DIG wurde ein großer Erfolg: Die Städte und Gemeinden und alle irgendwie mit Israel sympathisierenden Vereine griffen die nun von der Deutsch-Israelischen Gesellschaft getragene und organisierte Idee auf: wenigstens etwas, was man tun konnte in einer sonst ohnmächtigen Situation. Die Sammlung wurde ein großer Erfolg – und als schöner Nebenerfolg machte sie den Namen unserer Gesellschaft im ganzen Land bekannt.
Daneben verlief das Berliner Vereinsleben anschließend recht ernüchternd. Am 04.07. und am 19.09.1967 finden noch Treffen mit den Vorsitzenden der Koordinierungsauschüsse mit schwacher Beteiligung statt. Die Pläne sind vielseitig, aber das Mittun ließ zu wünschen übrig. Tatsächlich lief nur ein Arbeitskreis eine längere Zeit recht gut: er beschäftigte sich mit Fragen eines Curriculums für den Unterricht an Berliner Schulen über die „Geschichte von Juden in Deutschland“ und über Israel. Dabei legten die Teilnehmer (u.a. der Leiter des Walter Rathenau-Gymnasiums Huhn, der Israel-Beauftragte des Schulsenators von Coburg, der blinde Dr. Liepe, Historiker am Fichtenberggymnasium), Wert darauf, dass diese Geschichte nicht nur Verfolgungsgeschichte ist, – wie es häufig dargestellt wurde und wohl auch wird – sondern dass es viele Jahre und Jahrzehnte friedlichen und förderlichen Zusammenlebens gab. Diese Diskussion ist auch noch nicht beendet. Gerade die ersten Teile wurden ganz ernsthaft erarbeitet und später von Dr. Reiner Bernstein in den Heften der Bundeszentrale für politische Bildungsarbeit veröffentlicht.
Die Gruppe, die sich um eine Bibliographie über Judentum und Israel kümmern wollte, tagte auf Vorschlag von Professor Günther Harder unter Leitung der fachlich gut orientierten Frau Dr. Ursula Bohn mehrmals, verlief dann aber im Sande.
In den folgenden Jahren wurden die Berliner Mitglieder der Gesellschaft etwa halbjährlich zu Israel-relevanten Themen eingeladen, zunächst im Rathaus Schöneberg, später – nachdem Walter Sylten statt zentral in diesem Haus an der Peripherie der Stadt tätig war – in einigen zentral gelegenen Gaststätten, schließlich als Gast für längere Zeit in den Räumen des Demokratischen Klubs in Wilmersdorf in der Emser Straße. Leider sind über diese Veranstaltungen keine Protokolle oder wenigstens Notizen vorhanden geblieben.
Daneben gab der Vorsitzende, jeweils mit einem kleineren Kreis in Berlin politisch aktiver Mitglieder auf Bitten (und Kosten) des Senatsprotokolls Essen für prominente israelische Berlin-Besucher. Auch hierzu gibt es keine noch vorhandene Übersicht. Bei diesem oder jenem Namen israelischer Politiker erinnert sich der damalige Vorsitzende, dass „der“ oder „die“ auch einmal „unser“ Gast war. Manche wurden erst später deutlich bekannt.
Schließlich veranstaltete Bobby Schönthal, Referent der Landeszentrale für politische Bildungsarbeit – später Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses – im Namen der Deutsch-Israelischen Gesellschaft AG Berlin mindestens 10 mal mit einem örtlichen Reisebüro sehr erfolgreiche politische Gruppenreisen nach Israel – mit jeweils mehreren vorhergehenden Vorbereitungsabenden – die auch als Bildungsveranstaltungen anerkannt waren.
Ein tolles Erlebnis, aber ohne nachhaltigen Erfolg für die DIG war ein Abend im großen Saal der Philharmonie: Herr Ernst Cramer aus dem Hause Springer bat uns, für eine von ihm geplante Einladung des amerikanischen Sängers Sammy Davis jr. unseren Namen zu geben. Da der Überschuss als Spende für einen caritativen Zweck in Israel von uns abgeführt werden konnte, hatte ich kein schlechtes Gewissen. Aber es war schon eigenartig für einen Berliner Landesbeamten, welche Ausgabenbelege in diesem Metier abzuzeichnen waren (große Autos extra aus Stuttgart herangeführt etc.) Der Name unserer Gesellschaft war groß als Veranstalter plakatiert. Die gesamte Verwaltungsarbeit lag im Hause Springer, aber für unsere Arbeitsgemeinschaft oder für die DIG als ganzes sprang nichts dabei heraus.
Eine weitere Aktivität ist in Erinnerung: mehrmals konnten wir in Zusammenarbeit mit dem Außenreferat der Freien Universität Gastvorlesungen von Professoren der Hebräischen Universität in Jerusalem und der Technion aus Haifa an die FU vermitteln.
Aktive Vorstandsmitglieder aus dieser Zeit waren die Damen Dr. Waltraud Rehfeld, Rosemarie Hansen, die Studienrätinnen Annegret Mielke und Jutta Brost, und Herr Werner Goldberg – lange Jahre MdA.
Schließlich verlor auch der Vorsitzende den Mut, sich immer wieder neu als Mitglied des Präsidiums der Gesamtgesellschaft und in Berlin als „Vorsitzender“ wählen bzw. bestätigen zu lassen. Meine Frau war vollauf beschäftigt mit der Führung des Mitgliederverzeichnisses aufgrund der Mitteilungen aus Bonn. Auch die Versendung der Einladungen lag allein in ihren Händen. Für mich machten die Aufgaben in anderen ehrenamtlichen Engagements innerhalb der Evangelischen Kirche und ihres Missionswerkes es einfach notwendig, frische Energien der Berliner Arbeitsgemeinschaft der DIG zuzuführen.
Einige Wochen nach dem Ausscheiden von Heinz Striek aus dem Senat (er war dort viele Jahre Senator für Finanzen und einige Jahre auch noch Bürgermeister der westlichen Stadt) führte ich 1976 ein – oder auch mehrere – Gespräche mit ihm. Er beschäftigte sich schon in seiner Amtszeit viel mit Israel-Bonds und war auch sonst an der Deutsch-Israelischen Zusammenarbeit sehr interessiert. Die Werbung führte zum Erfolg: Heinz Striek war bereit, seine Kräfte dafür einzusetzen, dass die Berliner Arbeitsgemeinschaft wieder zu einem aktiven Leben zurückfinden konnte.