Das Israelbild in deutschen Schulbüchern – Potsdam

© Michael Kann

Einseitige Sicht auf Israel in einigen untersuchten Schulbuchartikeln stellten rund 20 interessierte Lehrer(innen) und andere Fachleute aus dem Schulbereich im Workshop zum „Israelbild in deutschen Schulbüchern“ fest. Kirsten Tenhafen und Jörg Rensmann, Experten des Mideast Freedom Forum Berlin (MFFB) und der Scholars for Peace in den Middle East (SPME), Kooperationspartner der DIG, führten die Teilnehmer am 22.11.16 im Potsdamer Landtag mit Textbeispielen an die Probleme heran. Ein Journalist der BZ, der teilnahm, warf am Folgetag in seiner Kolumne die Frage auf, ob in Schulbüchern die Unwahrheit über Juden und Israel stehe. Eine genaue Übersicht zu den wesentlichen Kritikpunkten an aktuellen Schulbuchartikeln ist beigefügt.

Anschließend fand auch in Potsdam wie bereits in Berlin und Hannover eine Podiumsdiskussion statt. Dem Außenministerium und seinem Sonderbeauftragten der Bundesregierung für die Beziehungen zu jüdischen Organisationen und Antisemitismusfragen, Dr. Felix Klein wurde für sein Grußwort und die Förderung dieser Veranstaltungsreihe gedankt. Aber auch Erik Stohn, SPD Landtagsabgeordneter in Brandenburg, hatte sich verdient gemacht. Ohne ihn als Gastgeber hätte die Veranstaltung nicht im Landtag stattfinden können, was als Signal in die Gesellschaft ihm und uns jedoch ein wichtiges Anliegen war. Sein Partei- und Fraktionskollege Ralf Holzschuher, ehemaliger Innenminister in Brandenburg und Abgeordneter der SPD Fraktion vertrat Stohn mit einem Grußwort, weil dieser wegen einer Terminüberschneidung nur kurz die Workshopteilnehmer begrüßen konnte. Holzschuher beeindruckte mit erkennbarem Engagement dabei aufzuzeigen, für wie wichtig er dieses Thema für seine Partei und das Land Brandenburg hält.

Als Einführung in die Diskussion auf dem Podium fasste Jakob German vom Jungen Forum die Ergebnisse des Workshops zusammen. Moderatorin Maya Zehden, Vizepräsidentin der DIG, hinterfragte dann bei den Podiumsteilnehmern, welche Auswirkungen es hat, dass wie in Berlin auch in Brandenburg Schulbücher keiner Zulassung vom zuständigen Ministerium unterworfen sind. Sowohl Dr. Peter Schell vom Westermann Verlag als auch die Referatsleiterin des Brandenburger Bildungsministeriums, Birgit Nix, mussten einräumen, dass dadurch die Verantwortung für korrekte Darstellung von Inhalten in Schulbüchern ausschließlich bei Schulleitern und Lehrern liegt, was sie teilweise überfordern muss. Dr. Götz Bieber, Direktor des Landesinstituts für Schule und Medien Berlin-Brandenburg, appellierte an alle Verantwortlichen, ihre Qualitätskontrolle zum Wohl der Schüler zu verstärken. Experte Jörg Rensmann gab zu bedenken, dass man Schülern als Grundlage zur erwünschten Urteilsfähigkeit korrekte Fakten vermitteln müsse. Nur dann könnten beispielsweise Quellen, die dem Anliegen von Schulbüchern entsprechen, ein Thema multiperspektivisch zu behandeln, korrekt eingeordnet werden.

Fazit der Veranstaltung: Es dürfen nicht noch mal 30 Jahre vergehen wie seit der ersten Studie des Georg-Eckert-Schulbuchinstituts, die schon 1985 die gleichen Mängel bei der Darstellung Israels in deutschen Schulbüchern aufgezeigt wie sie 2015 wiederholt wurden. Und es muss schnell gehandelt werden. Als Signal an die Verlage müssen auch die Rahmenlehrpläne der Bildungsministerien bundesweit Israel als Thema in seiner Vielfalt aufnehmen – weg vom ‚Konfliktherd’ hin zum westlichen Staatsgebilde in einer feindlichen Umgebung mit all seinen Errungenschaften, aber auch mit seinen inneren und äußeren Auseinandersetzungen. Wir bleiben dran!

Maya Zehden

 

Befunde der Dt.-Isr. Schulbuchkommission – Arbeitsgruppe Geschichte

Hauptmerkmale der Israeldarstellung

  1. Israel erscheint fast ausschließlich im Rahmen von Darstellungen des Nahostkonfliktes, dabei kaum Bezugnahme auf besonderes dt.-isr. Verhältnis, Israel erscheint primär als kriegführender Krisenstaat im Nahen Osten.
  2. d.R. Reduktion des Nahostkonfliktes auf isr.-pal. Konflikt, Vernachlässigung des erweiterten, regionalen Bezugsrahmens (arab.-islam. Länder)
  3. Didaktische „Falle“ 1: Gegenwartsbezug – stark ausgeprägt, häufig auf Kosten der Darstellung historischer Zusammenhänge
  4. Didaktische „Falle“ 2: Multiperspektivität/Kontroversität – bisweilen gut gelöst, häufig aber Perspektivverzerrung zuungunsten Israels durch unausgewogene Quellenzusammenstellung (Beispiel jüdischer Siedler vs. pal. Jugendlicher
  5. Didaktische „Falle“ 3: Mehrdimensionalität – Reduzierung auf politikgeschichtlichen Zugriff; Ausblendung der israel. Zivilgesellschaft, Ausblendung des israel. demokratischen Systems
  6. Medium Sprache: Lenkung des Schülerurteils durch normative Formulierungen in Überschriften, Arbeitsaufträgen und im Autorentext („Israel – Krieg ohne Ende?“); Rechtfertigungsnarrative
  7. Medium Bild: Emotionale und polarisierende fotografische Abbildungen; Darstellung israelischer Gewalt überwiegt; „David – gegen – Goliath“-Motiv
  8. Sachliche Fehler, Verzerrungen, Auslassungen (Beispiele):
  • Vermengung länderkundlicher und politischer Begriffe: „Palästina“? „Eretz Israel“?
  • Vordatierung der pal. Nationalbewegung (tlw. In Osmanische Zeit)
  • Vordatierung des Bündnisses zw. Israel und den USA (bzw. dem „Westen“)
  • Ausblendung des Verhältnisses der arabischen Nachbarstaaten zu den pal. Flüchtlingen und ihren Organisationen
  • Verschweigen ägyptischer bzw. jordanischer Herrschaft über Gaza und das Westjordanland vor 1967
  • Israelische Sperranlagen – Evozieren der Berliner Mauer
  • Verharmlosende Formulierungen für Terroraktionen gegen Israel (München ´72: „tragisches Ereignis“)
  1. Aber: für alle genannten Bereiche auch ausgewogene, pos. Beispiele

Fazit: Bemühen um unparteiliche Darstellung häufig spürbar – aber nicht immer erfolgreich. Israel tritt als bellizistisches Gebilde und als Krisenstaat im Nahen Osten in den Vordergrund. Es fehlen: Zivilgesellschaft, Errungenschaften, Rechtsstaat, Normalität.

Besonderheit Israels als liberale Demokratie in einem nicht demokratisch geprägten regionalen Umfeld wird i.d.R. ausgeblendet.

Engführung des Nahostkonfliktes auf die isr.-pal. Problematik blendet andere hist. Akteure und Phänomene wie die Arab. Liga, die Partikularinteressen einzelner arab. Staaten oder den Panarabismus weitgehend aus. Es finden sich nur in einigen Schulbüchern der Sekundarstufe II Hinweise auf die gesellschaftl., wirtschaftl. und polit. Stellung der pal.-arabischen Flüchtlinge in ihren Zufluchtsländern sowie auf das Verh. der arab. Staaten zu den Palästinensern und ihren Organisationen.

Manche Autoren tun sich schwer, Gewalthandlungen der Palästinenser gegen isr. Zivilisten eindeutig als Terrorhandlungen zu benennen.

Bis auf eine (!) Ausnahme unter den Büchern der Sek. II gehen die untersuchten Darstellungen nicht auf die Diskriminierung von Juden in arab. Ländern und ihre Migration nach Israel nach 1948 ein.

Der Zionismus wird – in vielen Darstellungen jedoch in unangemessener Kürze – als in Europa entstandene nationale Bewegung zur Erlangung einer jüd. Heimstätte beschrieben.

Nur sehr wenige Darstellungen gehen auf die innenpol., soziale, wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung Israels nach der Staatsgründung ein.

Die Auswahl der Quellen und Bilder läuft Gefahr, das „Überwältigungsverbot“ zu verletzen.

Empfehlungen

  1. Geschichte Israels nicht nur eindimensional im Kontext des Konflikts behandeln
  2. Facettenreiches Bild der Geschichte Israels zeichnen: demokr. Staat, bes. regionales Umfeld
  3. Einbeziehung anderer Akteure in das Geschichtsbild: eurp. Mächte, Arabische Liga
  4. Vorgeschichte der Gründung des Staates Israel sollte mehr Beachtung finden
  5. Darstellung der Geschichte der besonderen dt.-isr. Beziehungen
  6. Wurzeln und der Verlauf des Konflikts sollten im Zentrum stehen, Ableitung einer hist. Fragestellung aus akt. Interessen der Lernenden
  7. Ein Narrativ, das den Konflikt als unlösbar erscheinen läßt, sollte vermieden werden
  8. Quellenzusammenstellung soll ausgewogen erfolgen, zu beachten ist eine erhöhte Sensibilität im Hinblick auf die Gestaltung der Arbeitsaufträge
  9. Sorgfalt beim unterrichtlichen Einsatz von Bildmaterial und bei dessen Kontextualisierung. Vorsicht dabei beim Erzeugen starker Emotionen
  10. Besonderes Augenmerk ist auf die Sprache der Darstellung zu richten: Sorgfalt, Ausgewogenheit, Faktenorientierung. Insbesondere bei der Gestaltung von Kapitel- und Zwischenüberschriften ist darauf zu achten, dass diese frei von normativen Formulierungen und frei von starken emotionalen Bezügen gestaltet sind.

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