Israels Botschaft in Kairo nach Erstürmung geschlossen

Alle israelischen Diplomaten in Kairo sowie ihre Familienangehörigen sind in der Nacht heimlich evakuiert und nach Israel ausgeflogen worden. Auch der Botschafter hat Ägypten verlassen. „Die Beziehungen zwischen beiden Ländern sind nicht betroffen“, hieß es am Morgen im israelischen Rundfunk. Die Evakuierung geschah allein zum Schutz der Diplomaten, hieß es, als die geheime Aktion in Israel von der Zensur zur Veröffentlichung freigegeben worden war.

Israels Außenminister Avigdor Lieberman habe die ganze Nacht im Lageraum seines Ministeriums verbracht. Mitten in der Nacht fanden sich auch Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und Verteidigungsminister Ehud Barak im Lageraum ein, um die Evakuierung persönlich zu überwachen und um eilige Beschlüsse fassen zu können. Netanjahu telefonierte mit dem amerikanischen Präsidenten Barak Obama, der wiederum mit der ägyptischen Regierung sprach und sie dringend aufforderte, Spezialtruppen zum Botschaftsgebäude zu schicken. Gegen 6 Uhr morgens (Ortszeit) stellte sich heraus, dass sechs israelische Wachmänner noch in der Botschaft im 18. Stock eines Bürohauses festsaßen. Kommandoeinheiten gelangten mit Panzerwagen zur Botschaft und konnten bis zur Botschaftsetage vordringen. Es stellte sich heraus, dass nur noch eine einzige Tür die Demonstranten und die sechs Israelis trennte. Dank der Überwachungskameras konnten die israelischen Sicherheitsleute „Blickkontakt“ mit dem Lageraum in Jerusalem halten. Einer der Wachleute sagte zu Netanjahu: „Falls es hier zur Katastrophe kommt, bitte ich darum meine Eltern persönlich zu benachrichtigen und nicht per Telefon.“ Netanjahu sprach ein Lob aus: „Halte aus. Du bist ein mutiger Junge.“ Wenige Minuten später entdeckten die ägyptischen Spezialtruppen den verschlossenen Raum, in dem sich die Israelis versteckt hielten. In Zivilkleidung und mit verhüllten Gesichtern gelang es, die Israelis an den Demonstranten vorbei zu bereitstehenden Panzerwagen zu bringen und zum Flughafen zu fahren, wo schon ein kleines israelisches Flugzeug wartete, um die sechs Sicherheitsleute heim zu fliegen. Zuvor hatte Israel eine Boeing 707 nach Kairo geschickt, um die Diplomaten und deren Angehörige zu evakuieren.

Wie der israelische Rundfunk berichtete, sei doch ein Diplomat in Kairo zurückgelassen worden, um mit den Ägyptern einen direkten Kontakt aufrecht zu erhalten. „Er befindet sich an einem sicheren Ort.“ Ministerpräsident Netanjahu telefonierte am Morgen mit dem ägyptischen Geheimdienstchef, und bedankte sich für den „mutigen und besonnenen Einsatz“ der ägyptischen Spezialtruppen, denen es gelungen war, aus dem von hunderten Demonstranten besetzten Botschaftsgebäude die sechs Wachleute aus Lebensgefahr zu retten.

Zeitweilig wurde im Laufe der Nacht überlegt, die Botschaft nach Scharm al Scheich im Süden der Sinaihalbinsel zu verlegen, doch als sich die Ereignisse in Kairo überstürzten, wurde beschlossen, alle Diplomaten nach Israel auszufliegen.

Demonstranten haben eine vor wenigen Tagen von den ägyptischen Behörden errichtete Schutzmauer zerstört und dann das Gebäude gestürmt. Die ägyptische Polizei verschoss erfolglos Tränengas, während Demonstranten Räume der Botschaft stürmen und „geheime Dokumente“ mit dem israelischen Staatswappen aus den Fenstern warfen. Ebenso wurde erneut die israelische Flagge vom Dach gerissen. Es habe 450 Verletzte gegeben.

In der Nacht griff auch die amerikanische Regierung in das Geschehen ein und forderte von den Ägyptern, die Botschaft und das Eigentum der Diplomaten zu beschützen. Ein israelischer Reporter, der die Ereignisse in Kairo verfolgte, sagte am Morgen, dass die Demonstranten ihr Ziel letztlich erreicht hätten: eine Schließung der Botschaft und eine Vertreibung aller israelischen Diplomaten.

Ex-Botschafter zum Sturm auf Botschaft in Kairo

Der ehemalige israelische Botschafter in Kairo, Zvi Mazel, sagte am Samstag im Rundfunk, dass mit dem Sturm auf die israelische Botschaft „etwas sehr schlimmes passiert ist“. Der Schutz diplomatischer Vertretungen gehört zu den wichtigsten Konventionen, die für alle UNO-Mitglieder bindend seien. Neben den Amerikanern seien jetzt auch die Europäer aufgerufen, hierzu eine klare Stellung zu beziehen.

Die Demonstranten rechtfertigten den Sturm auf das israelische Botschaftsgebäude im Viertel Gizeh mit dem Tod von acht ägyptischen Grenzpolizisten während des Terroranschlags auf der Grenzstraße nahe Eilat am 18. August. Mazel monierte, dass die ägyptischen Behörden von Israel eine „Entschuldigung“ verlangt hätten, ohne der ägyptischen Bevölkerung entscheidende Details mitzuteilen. So sei der Terroranschlag von ägyptischen Territorium ausgegangen. Möglicherweise haben ägyptische Grenzposten den Terroristen geholfen, da diese zunächst von einem ägyptischen Posten aus und in ägyptische Uniformen gekleidet auf israelische Autos und Busse geschossen haben. Zudem hat der ägyptische Geheimdienst inzwischen vier der Terroristen identifizieren können: zwei Palästinenser aus dem Gazastreifen, und zwei aus dem Gefängnis entkommene Ägypter. Weiter sagte Mazel, dass vermutlich einige der ägyptischen Polizisten gar nicht durch Schüsse israelischer Soldaten getroffen, sondern durch Schüsse der Terroristen getötet worden seien.

Israel hatte ausdrücklich sein „Bedauern“ über den Tod der ägyptischen Grenzpolizisten schon am gleichen Tag ausgesprochen, aber keine „Entschuldigung“, weil das in der Diplomatensprache einem Schuldbekenntnis entsprochen hätte. Gleichwohl haben Israel und Ägypten abgesprochen, den ganzen Vorfall gemeinsam zu untersuchen. Weiter sagte Mazel, dass der Sturm auf die Botschaft vor allem Ausdruck steigender Unmut unter den säkulär ausgerichteten Demonstranten sei. Nichts habe sich wirklich seit dem Sturz von Präsident Mubarak verändert. Wegen interner Machtkämpfe unter den Demonstranten wagen es die an der Macht gebliebenen Militärs unter Feldmarschall Tantawi nicht, dem Aufstand ein Ende zu setzen und die Bevölkerung aufzurufen, mit aller Energie zunächst einmal die schwer angeschlagene Wirtschaft wieder in Gang zu setzen. Durch die mehrfache Sprengung von Erdgasleitungen, unter anderem nach Israel, und durch das Ausbleiben von Touristen habe Ägypten zwei seiner wichtigsten Einnahmequellen verloren.

Westerwelle verurteilt Angriff

Unterdessen hat Bundesaußenminister Guido Westerwelle die Erstürmung der israelischen Botschaft durch Demonstranten in Kairo verurteilt. Er erwarte, dass die ägyptischen Behörden den Schutz der Botschaft gemäß den internationalen Verpflichtungen sicherstellten, teilte das Auswärtige Amt am Samstag in Berlin mit. Eine weitere Eskalation müsse unbedingt vermieden werden.

Quelle

Von: Ulrich W. Sahm, A. Quiring, (dpa)

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