Gespräch mit Sara Lemel, dpa
Der ehemalige israelische Botschafter in Deutschland, Shimon Stein, sieht eine Vertrauenskrise zwischen Deutschland und Israel vor dem Hintergrund des Siedlungsausbaus. Zu jüngsten Berichten über eine Krise zwischen Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte Stein am Montag, diese sei eher als «Symptom der grundsätzlichen Meinungsverschiedenheiten» anzusehen.
«Es gibt Meinungsverschiedenheiten zwischen Israel und Deutschland und zwischen Israel und der Europäischen Union», sagte Stein im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa. «Meinungsverschiedenheiten darüber, wie man den Weg zurück zu Verhandlungen findet und wie man Hindernisse überwindet.»
Deutschland habe sich zuletzt sehr bemüht, den palästinensischen Alleingang zu den Vereinten Nationen zu verhindern, ebenso wie die Europäische Union. Israels Ankündigung des Baus von mehr als 1000 neuen Wohnungen in Gilo am Südrand Jerusalems erscheine zu diesem Zeitpunkt der Bemühungen um neue Friedensgespräche besonders kontraproduktiv.
Die neue Friedensinitiative des Nahost-Quartetts fordere beide Seiten dazu auf, provokative Schritte zu unterlassen. Daher habe Merkel Netanjahu am Freitag gesagt, ihr fehle jegliches Verständnis für den israelischen Bauplan in Gilo. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Pläne durch die zuständige städtische Behörde in Jerusalem sagte Stein: «Es schafft ein Vertrauensproblem. Wenn es Zufall war, ist es dumm, und wenn es kein Zufall war, ist es auch dumm.»
Letztlich gebe es in Deutschland kein Vertrauen in einen echten Willen Israels, ernsthafte Friedensgespräche aufzunehmen, sagte Stein. In der Vergangenheit habe Merkel in den Beziehungen zu Israel eher auf den «stillen Dialog» gesetzt. «Heute gibt sie sich nicht mehr mit diesem Dialog hinter verschlossenen Türen zufrieden, Deutschland drückt sein Unbehagen auch öffentlich aus.»
Zu dem Druck der rechten und siedlerfreundlichen Koalitionspartner auf Netanjahu sagte Stein: «Es entsteht der Eindruck, dass innenpolitische Erwägungen gegenüber wichtigen strategischen Interessen die Oberhand gewinnen.»
Original: Greenpeace online-Magazin vom 03.10.2011