Im Rahmen einer Kooperationsveranstaltung zwischen DIG Berlin und Potsdam, Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit (GCJZ( Berlin und Bezirksamt/Kunstamt Tempelhof-Schöneberg las Juri Elperin am 7. März 2011 im Goldenen Saal des Rathauses Schöneberg aus seinen veröffentlichten und unveröffentlichten Erinnerungen und stand den rund 100 Gästen im Anschluss für Fragen zur Verfügung. Er bedankte sich herzlich für die Einladung und die Gelegenheit, vor Interessierten aus seinen Memoiren vorzutragen, die er hoffenlich nicht enttäuschen werde.
1917 als Sohn russisch-jüdischer Eltern in Davos geboren, übersiedelte Juri Elperin als Fünfjähriger mit seiner Familie nach Berlin, wo er Kindheit und Jugend verbrachte. Nach dem Machtantritt der Nationalsozialisten folgen Ausweisung und Emigration der Familie zunächst nach Paris, 1935 nach Moskau, wo er die Karl-Liebknecht-Schule besuchte und später Germanistik studierte. 1941 machte Elperin seinen Abschluss und meldete sich als Freiwilliger für den “Großen Vaterländischen Krieg” gegen Hitler-Deutschland, das ihm seine Heimat genommen hatte.
In der Stalinzeit erlebte Elperin Ausländerfeindlichkeit und erneut Antisemitismus. Unter dem Vorwurf des Kosmopolitismus wurden Juden erneut verfolgt und inhaftiert, es drohten Deportationen im großen Maßstab nach Sibirien. Nach Stalins Tod unterrichtete Elperin – wenn auch ohne Festanstellung – als Dozent für Lexik und Phonetik an der Hochschule für Fremdsprachen in Moskau, wurde später ohne Begründung entlassen und übersetzt seit damals russische Literatur ins Deutsche, u.a. Michael Scholochow, Valentin Katajew und ‑Die Kinder vom Arbat von Anatoli Rybakow. Auch Gedichte z.B. von Anna Achmatowa und Iwan Bunin gehören zu seinen übersetzten Werken. Die deutsche Sprache ist für Elperin nicht nur Muttersprache, sondern auch die Sprache seiner Identität, dennoch versteht er sich als „Weltbürger“ ohne feste Heimat.
Ende der 1990er Jahre erhielt Juri Elperin für seine Verdienste um die deutsch-russischen Literaturbeziehungen und infolge seiner Biografie neben der russischen auch die deutsche Staatsbürgerschaft und lebt seit 2000 wieder in Berlin. Seit dem Jahr 2000 wird ihm eine Ehrenpension des Bundespräsidenten gezahlt.
Ein Projekt beschäftigt Elperin bis heute: Schon 1990 – kurz nach dessen Erscheinen – hatte er eine Übersetzung des russischen Romans von Valentin Jeraschow “Korridore des Todes – Wenn Stalin eine Woche länger gelebt hätte” empfohlen. In einer Veranstaltungsankündigung der “Akademie der Künste” aus dem Jahr 2000 heißt es: “Was wäre geschehen, wenn Stalin noch seinen Plan verwirklicht hätte, die jüdische Bevölkerung nach Sibirien zu deportieren? Eine großangelegte antisemitische Kampagne gegen jüdische Ärzte und deren Hinrichtung sollte dazu den Auftakt bilden. Jeraschow stellt diese Aktionen in die Traditionslinien antijüdischer Prozesse und Pogrome in der vor-sowjetischen Geschichte.” Elperin empfiehlt das Buch bis heute “wegen seines brisanten Inhalts, der Glaubwürdigkeit der Darstellung …, vor allem aber als aufklärende und zugleich warnende Stimme, damit auch der deutsche Leser ein umfassendes Bild von der jüngsten sowjetischen Geschichte … erhält”. Elperin hat Teile des Buches bereits übersetzt und sucht weiterhin nach einem interessierten Verleger.
[nggallery id=43]
Am Ende des Abends freuten sich alle Beteiligten, darunter auch Katharina Kaiser, über eine sehr gelungene „etwas andere“ Veranstaltung.
______
Und hier finden Sie die Sendung „Menschenbilder“ im österreichischen Rundfunk über Juri Elperin vom 24. August 2012. Mehr …