Israel wird immer autistischer und hört nur noch sich selbst zu. Das heißt aber nicht, dass alle Feindseligkeit nur eingebildet ist. Israel ist nicht von Freunden umzingelt.
Es gab Zeiten, da war jüdische Identität fest mit universalen Werten und Menschenrechten verbunden. Die Identität und die Werte überschnitten sich. Es sieht danach aus, als ob diese Verbindung in Israel gekappt worden ist. Die Sprache der Menschenrechte gibt uns einen kognitiven und emotionalen Rahmen, der uns sagt, warum es uns nicht egal sein kann, wenn fremde Menschen grausam behandelt werden. Menschenrechtsverletzungen werden zu Angelegenheiten aller. Diese Sprache ist in diesem Land verstummt. Seine Bürger fahren als Geiseln auf einem Narrenschiff, das in die Isolation steuert.
Nach dem 2. Weltkrieg und der millionenfachen Vernichtung von Juden gab es für die Überlebenden eine klare Alternative: die nationale Souveränität Israels. Was ist aus dieser Souveränität geworden? Wovor fürchtet sich dieser Staat, dass er immer wieder überreagiert, Feinde nicht nur dort sieht, wo sie wirklich sind, sondern auch dort, wo man sie getrost übersehen kann. Bedeutet Souveränität nicht auch Gelassenheit, ein Gefühl der Stärke, dass man in sich ruht und weiß, wie man souverän mit Macht umgeht?
Lesen Sie die Meinung des israelischen Soziologen Natan Sznaider im Tagesspiegel vom 03. Juni 2010.