Sehr geehrte Frau Schöttler,
Sehr geehrte Frau Botsch-Fitterling, liebe Jael,
sehr geehrter Herr Paisley,
sehr geehrter Herr Bergh,
sehr geehrte Frau Federspiel,
ich freue mich sehr und halte es für ein Geschenk, dass wir heute noch immer Zeitzeugen sehen und ihnen zuhören können, besonders in Verbindung mit Veranstaltungen wie der Ausstellung „Wir waren Nachbarn“.
Der 27. Januar wurde als Jahrestag der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz 1996 auf Initiative des damaligen Bundespräsidenten Roman Herzog offizieller deutscher Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus. Die Vereinten Nationen haben den 27. Januar dann im Jahr 2005 zum internationalen Holocaust-Gedenktag erklärt. Diese Ausstellung hilft nun alljährlich anlässlich dieses Gedenktages, die Folgen der Shoah in Erinnerung zu bringen und das halte ich für sehr wichtig.
Kritiker, die Gedenktage als Ritual ablehnen und infrage stellen, sollten bedenken: Der Mensch ist erst tot ist, wenn er vergessen wird oder mit Immanuel Kant: Wer im Gedächtnis seiner Lieben lebt, der ist nicht tot, der ist nur fern; tot ist nur, wer vergessen wird.
In diesem Sinne ist es auch eine gute Idee des Berliner Senats, 80 Jahre nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten das Jahr 2013 als Themenjahr unter das Motto: „Jüdisches Leben in Berlin 1933 – 1945“ zu stellen. Dazu wird es viele interessante Projekte geben.
Wenn Sie fragen, was eigentlich die Christlich-Jüdische und die Deutsch-Israelische Gesellschaft unterscheidet – beide Gruppen sind ja jedes Jahr an dieser Stelle vertreten – dann kurz der Hinweis, dass wir uns darauf verständigt haben, dass die Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit bei Veranstaltungen haben hauptsächlich Themen behandelt, die das Zusammenleben von Juden und Christen in Deutschland betreffen. Die Deutsch-Israelische Gesellschaft arbeitet mehr politisch und informiert über die Beziehungen von Israel und Deutschland, bietet aber vor allem Hintergrundinformationen über Israel und den Nahen Osten.
Aber in ihren Leitsätzen hat die Deutsch-Israelische Gesellschaft auch grundsätzlich festgelegt: ZITAT
Die Arbeit der DIG geht von dem Wissen um die von Deutschen zu verantwortenden Verbrechen an den Juden während der Jahre 1933 bis 1945 aus. Die DIG wird deshalb der Aussöhnung zwischen unseren beiden Völkern verpflichtet bleiben. Diesen Auftrag gilt es, an die nachwachsende Generation in der Bundesrepublik Deutschland zu vermitteln. Als konkreter Beitrag ergibt sich für die DIG daraus, Vorurteilen gegenüber Juden in der deutschen Bevölkerung entgegenzuwirken sowie Antisemitismus und Antizionismus entschieden zu bekämpfen. ZITAT ENDE
Die Todesmaschinerie der Nazis hat aller Welt bewusst gemacht, dass die Juden eine Heimstatt brauchen. Die Gründung des Staates Israel, ein in deutscher Sprache am Ende des 19. Jahrhunderts formulierter Traum, wurde nach dem 2. Weltkrieg endlich Realität.
Dieser Hintergrund ist in der Arbeit der Deutsch-Israelischen Gesellschaft ständig präsent. Es gibt viele Gründe, für Israel einzutreten und einzustehen, beispielsweise die häufig einseitig gegen Israel gerichtete Schuldzuweisung im palästinensisch-israelischen Konflikt.
Denn es wird, wenn es um Israel geht, oft mit außerordentlichem Moralismus argumentiert. Als hätten Juden aufgrund ihrer Verfolgungsgeschichte eine automatische Verpflichtung, alles besser zu machen.
Ein hoher Kirchenmann sagte kürzlich bei einer Tagung, er hätte den Eindruck „Außenminister Liebermann wolle gar keinen Frieden“. Das ist starker Tobak und ich habe ihm widersprochen. Da hat er gesagt: „Sehen Sie, sage ich doch, man darf Israel nicht kritisieren!“ Meine Damen und Herren, ich habe ihn keineswegs einen Antisemiten genannt, weil ich ihn auch gar nicht für einen halte. Aber ich darf doch seine Kritik zurückweisen, auch wenn es um einen israelischen Politiker geht, ohne Sorge haben zu müssen, dass er sich dann nie wieder traut, etwas Kritisches zu sagen. Was wir hier sehen ist die Verkrampfung, die in der deutschen Gesellschaft beim Thema Juden und Israel leider noch stark verbreitet ist.
Ich kann den Spruch: Man dürfe Israel nicht kritisieren, dann würde man gleich als Antisemit diffamiert – also definitiv nicht mehr hören.
Wenn 1948 die arabischen Bewohner Palästinas das ihnen von den Vereinten Nationen angebotene Staatsgebiet genauso angenommen hätten wie die Juden, wäre die Situation für sie heute eine andere. Diejenigen, die im Staat Israel blieben, machen heute 20 Prozent der Bevölkerung aus. Sie haben alle Rechte von Staatsbürgern, es gibt auch arabische Abgeordnete im Parlament, der Knesset.
In den arabischen Bruderstaaten werden die Palästinenser immer noch in Lagern gehalten. Selbst wenn sie lange in einem reichen Ölstaat als Arbeitskraft leben, haben sie keine Aussicht auf die Staatsbürgerschaft.
Trotzdem wird in Israel der jüdische Charakter des Staates kritisiert, er wird als Apartheidstaat diffamiert, es wird zu Boykotten gegen das Land aufgerufen. Das ist rational nicht zu begründen.
Erlauben Sie mir noch eine ganz persönliche Überlegung zur Siedlungsproblematik: Den heutigen Siedlern in der Westbank könnten bei Gründung eines palästinensischen Staates doch ebenfalls Bürgerrechte angeboten werden, die sie zu jüdischen Palästinensern macht. Und nur die, die Israelis bleiben wollen, müssten die Siedlungen verlassen. Welche Gründe hat es wohl, dass das nie jemand offiziell angedacht hat?
Israel ist also der einzige funktionierende Rechtsstaat des Nahen Ostens. Jeder, der heute hier die toten Juden betrauert, die dem nationalsozialistischen Regime zum Opfer fielen, muss sich darüber im Klaren sein, dass viele lebende Juden selbstverständlich eine besondere Beziehung zu Israel haben, besonders die Überlebenden des Holocaust. Wer also Kränze an Gedenkstätten ablegt, sonst aber besonders schnell bei der Sache ist, wenn es gilt, Israel zu kritisieren, wer Zionismus ablehnt, wer ausschließlich israelische Politiker kritisiert, dem sei gesagt, dass das ein Widerspruch ist.
Nach diesen kritischen Bemerkungen möchte ich noch einmal dem Freundeskreis von „Wir waren Nachbarn“ herzlichen Dank sagen für das anhaltende Engagement für die Ausstellungsgestaltung und dafür, dass Sie keine Kosten und Mühen gescheut haben, damit auch heute wieder Zeitzeugen teilnehmen können.
Diese Ausstellung hier im Rathaus Schöneberg in Kombination mit dem Mahnmal an den Laternen rund um den Bayrischen Platz ist als einer der besten Erinnerungsorte Berlins an die entrechteten und getöteten Juden des Dritten Reiches beispielhaft!