Der israelische Autor Meir Shalev spricht über Hausarbeit, Gründe für einen Putzfimmel und die Naqba, die Vertreibung der Palästinenser 1948.
Mr. Shalev, wann haben Sie zum letzten Mal Ihre Wohnung geputzt?
Ich selbst?
Ja, Sie selbst.
Oh. Wir haben eine Wohnung in Jerusalem und ein kleines Haus im Norden Israels. Für die Wohnung haben wir eine Putzfrau. Das Haus machen meine Frau und ich sauber. Oder wir schicken unsere Kinder, aber die wollen dafür bezahlt werden. (Lacht)
Ich dachte, Putzen ist bei Ihnen eine Familientradition?
Nein, nein. Nur meine Großmutter war verrückt danach. Wir machen das nicht anders als andere Leute.
Ihre Großmutter Tonia hatte einen Putzfimmel?
Ja, aber sie war die Einzige in unserer Familie.
In Ihrem neuesten Buch schreiben Sie, dass Tonia immerzu den „Dreck des Landes Israel“ aus ihrem Haus putzte. Fühlte sie sich nicht wohl im gelobten Land?
Oh doch. Sie war Zionistin, aber keine ideologische. Sie folgte ihrem Vater und ihren Brüdern aus Russland nach Palästina. Sie wäre allerdings auch nach Australien oder Amerika gegangen, wenn dort ihre Familie gewesen wäre. Mein Großvater dagegen wäre niemals in die USA gegangen, er war Zionist und Sozialist mit Haut und Haaren.
Und warum wollte Tonia die Erde nicht im Haus haben?
Diese Einwanderer-Generation baute in Palästina Farmen auf, pflanzte Bäume und erntete Gemüse. Deswegen war den Leuten die Erde so wichtig. Doch der Boden war oft schlammig oder staubig und dagegen kämpfte meine Großmutter ihr Leben lang. Sie war eine gute Bäuerin, sie arbeitete auf Hof und Acker mit Hingabe, aber Schlamm und Staub wollte sie nicht in ihrem Haus haben.
Lesen Sie hier das gesamte Interview von Katharina Sperber mit dem Autor in der Frankfurter Rundschau vom 6. Mai 2011.
Meir Shalev wurde im Gründungsjahr des Staates Israel 1948 in Nahalal, einem der ersten beiden zionistischen Genossenschaftsdörfer (Moschaw), geboren. Nach dem Studium arbeitete er für den Rundfunk und war Zeitungskolumnist. Sein Durchbruch als Autor gelang ihm 1988 mit dem Buch „Ein russischer Roman“, das bis 1991 in zehn Sprachen übersetzt wurde.
In seinem neuen Roman „Meine russische Großmutter und ihr amerikanischer Staubsauger“ schreibt er liebevoll und mit viel Humor vom harten Leben der Einwanderer zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts und erzählt die Saga seiner großen Familie. (ber)